Stichtag

13. Mai 1888 - Abschaffung der Sklaverei in Brasilien

Im Brasilien des 16. Jahrhunderts gedeiht das begehrte Zuckerrohr. Doch den portugiesischen Großgrundbesitzern fehlt es an Arbeitskräften. Während ihrer Eroberungsfeldzüge sind viele indianische Ureinwohner ums Leben gekommen. Doch Portugal besitzt noch weitere Kolonien in Afrika. Um 1550 beginnen die Portugesen, verschiedene afrikanische Völker nach Brasilien zu verschiffen: Bantu aus Angola, Mosambik und dem Kongo; Yoruba, Ewe, Mandinka aus dem Sudan und Westafrika. 3,9 Millionen junge Afrikaner gelangen im Laufe von rund 300 Jahren nach Brasilien, um dort als Sklaven zu arbeiten. "Das lukrativste Geschäft des portugiesischen Königreiches war der Sklavenhandel", sagt Debora Gerstenberger, Historikerin am Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin.

Der Sklaven-Nachschub war günstiger als gute Arbeitsbedingungen

Wer die Überfahrt überlebt, wird meist an die Besitzer riesiger Zuckerplantagen im Nordosten des Landes verkauft, zum Zuckerrohrschneiden. "Die Arbeit auf den Plantagen war so anstrengend, dass viele der Sklaven nicht älter als 30 Jahre wurden. Es war für die Besitzer meist günstiger, für Nachschub zu sorgen, als sich um gute Arbeitsbedingungen ihrer Sklaven zu kümmern", sagt Debora Gerstenberger.

Auch in Goldminen und beim Kaffeeanbau werden Sklaven beschäftigt. Einerseits sind sie vollkommen rechtlos und entwurzelt. Andererseits stellen sie bald 70 Prozent der Bevölkerung Brasiliens – und bringen ihren Besitzern großen Reichtum ein. Um 1600 berichtet der schwäbische Arzt und Weltreisende Andreas Josua Ulsheimer von seinem Brasilienaufenthalt: "Weil man sehr viele Menschen aus Angola zum Verkauf führt, gibt es große Menschenmärkte. Und dies deshalb, weil die Portugiesen dort überhaupt nichts schaffen, noch arbeiten – und die Schwarzen sie erhalten müssen."

Einwanderer aus Europa statt Sklaven aus Afrika

Über drei Jahrhunderte prägt die Sklaverei das Land – und auch die Geschichte ihrer Abschaffung zieht sich über fast hundert Jahre hin. 1807 beendet England die Sklaverei in seinen Kolonien und macht Druck auf Portugal. Auch wirtschaftliche Interessen spielen eine Rolle: Die Kolonien Englands fürchten Konkurrenznachteile gegenüber Brasilien, wo Waren mit Sklaven billiger produziert werden. Doch in Brasilien kontrollieren Großgrundbesitzer die Politik. 1822 wird das Land unabhängig und der Regierung gelingt es, sich bis in die 1860er-Jahre größeren Veränderungen zu entziehen.

Währendessen entsteht in einigen brasilianischen Städten eine Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei. Das Motiv ist nicht nur Mitleid. "Paradoxerweise ist gerade die schrittweise Abschaffung der Sklaverei in Brasilien ein Prozess, der auf rassistischen Prinzipien beruht – weil man die weiße Bevölkerung für hochwertiger hielt. Damals hieß es, man müsse die Gesellschaft 'aufweißen'", erklärt Debora Gerstenberger. Statt weiterhin Sklaven aus Afrika zu holen, fördert die Regierung die Einwanderung aus Europa.

Erst 1888 lenkt die mächtige Lobby der Großgrundbesitzer ein. Am 13. Mai verkündet Prinzregentin Isabella, dass Brasilien die Sklaverei abschafft – als letztes Land der westlichen Hemisphäre.

Stand: 13.05.2013

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