12. April 1888 - Erstes Patent auf gentechnisch verändertes Tier, eine Maus, wird eingereicht

Stichtag

12. April 1988 - Erstes Patent auf gentechnisch verändertes Tier

Können Tiere als menschliche Erfindungen gelten? Nach einer Entscheidung des US-Patentamts aus dem Jahr 1980 dürfen Tiere und Pflanzen als industrielle Produkte patentiert und somit vor anderen Anwendungen geschützt werden. Zum ersten Mal wird ein solches Patent am 12. April 1988 auf ein gentechnisch verändertes Tier erteilt, die sogenannte Krebsmaus.

Krebsmaus ist Türöffner für viele Patente auf Tiere und Pflanzen

Wissenschaftler der Harvard-Universität hatten den kleinen Nagern ein menschliches Brustkrebs-Gen eingebaut, so dass die Mäuse und ihre Nachkommen mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Tumor bekamen. "Damals sagte man, man bräuchte speziell dieses Patent, um die Krebsforschung voranzutreiben. Das hat sich im Rückblick nicht bewahrheitet", sagt der Tierarzt Christoph Then vom Institut Testbiotech, das in unabhängigen Gutachten die Folgen in der Biotechnologie abschätzt. Der Erfolg der Krebsmaus für die Forschung blieb gering. Vier Jahre später wurde das Patent trotz heftiger Proteste auch vom Europäischen Patentamt erteilt. "Damit wurde ein Präzedenzfall geschaffen, ein Türöffner für eine ganze Flut von Patenten auf Säugetiere und auch Pflanzen", sagt Then, der in den 1990er-Jahren die Kampagne "Kein Patent auf Leben!" in Deutschland koordinierte und bis 2007 Greenpeace-Experte für die Themen Landwirtschaft und Gentechnologie war.

Patente müssen allgemein formuliert sein

Das Europäische Patentamt vergibt seitdem Patente auf biologisches Material, das mithilfe eines technischen Verfahrens hergestellt oder aus seiner natürlichen Umgebung isoliert wird – sowie auf inzwischen etwa 2.000 Pflanzensorten und mehr als 1.000 Tierarten. Zwar verbietet die EU-Biopatentrichtlinie von 1998 prinzipiell die Patentierung von Pflanzen und Tieren. Doch es wurden viele Umgehungsmöglichkeiten geschaffen. So können Patente erteilt werden, wenn sie nicht auf einzelne Pflanzensorten oder Tierarten beschränkt sind. "Patente sind grundsätzlich erteilbar, wenn sie allgemein formuliert sind – also zum Beispiel keine bestimmte Tomatensorte betreffen, sondern alle Tomaten", erklärt Christoph Then vom Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie.

Denkbar sind Patente auf Tiere und Pflanzen erst, seit es die Gen- und Biotechnologie gibt. Vorher galt die Annahme, Züchtungen ließen sich nicht präzise nachahmen – sie seien immer auch vom Zufall und den verwendeten Individuen abhängig. Die moderne Biotechnologie jedoch macht es mit einer präzisen Anleitung möglich, ein Geschöpf in jedem Labor der Welt nachzubauen.

Dominieren Patentinhaber die Märkte?

Längst müssen Tiere und Pflanzen nicht mehr gentechnisch verändert sein, um patentiert werden zu können. 2008 empörte das sogenannte Schweinezucht-Patent der US-amerikanischen Firma Monsanto die Öffentlichkeit. Es bezog sich auf die Identifizierung von Erbanlagen, die angeblich für saftigeres Fleisch sorgen. Wütende Bauern protestierten vor dem Europäischen Patentamt in München – mit ihren rosa-schwarzen Schwäbisch-Hällischen Landschweinen im Anhang. "Diese Schweine haben genau die Gensequenzen, die Monsanto patentieren will. Wir haben die Rasse mühsam am Leben erhalten und sehen nicht ein, warum wir künftig an den Konzern Lizenzgebühren zahlen sollen", sagte ein Landwirt am Rande der Demonstration. Der Einspruch der Bauern, Tierschutzverbände, Kirchen und anderer Organisationen hat Erfolg: Das Patent wird widerrufen.

Christoph Then betont, man habe einen großen Erfolg in einem sehr speziellen Fall erreicht. "Aber man hat es bisher nicht geschafft, die Rechtsprechung des Europäischen Patentamts zu verändern." Kritiker warnen, große Konzerne als Patentinhaber könnten die Märkte dominieren: Bauern gerieten in Abhängigkeit, mittelständische Züchter würden vom Markt gedrängt und Patentgebühren könnten die Lebensmittelpreise nach oben treiben, vor allem in der Dritten Welt. Auch vom Modell der Krebsmaus von 1988 machten Wissenschaftler weltweit nur wenig Gebrauch – vermutlich auch wegen der Lizenzgebühren.

Stand: 12.04.2013

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