Stichtag

13. Februar 2004: Alexander Solschenizyn wird in die Bundesrepublik abgeschoben Mahner und Moralist

Am Nachmittag des 13. Februar 1974 landet eine Maschine der sowjetischen Fluggesellschaft Aeroflot auf dem Frankfurter Flughafen. An Bord: Der russische Schriftsteller, Literaturnobelpreisträger und Bürgerrechtler Alexander Issajewitsch Solschenizyn. Gegen seinen Willen hat die Sowjetunion ihren prominenten Bürger und Kritiker ins Ausland verfrachtet. Am Abend trifft Solschenizyn bei seinem Freund und Kollegen Heinrich Böll ein - in dem kleinen Eifel-Örtchen Langenbroich. Es ist die erste Station seines Exils, das zwanzig Jahre währen sollte und ihn unter anderem in die Schweiz und die USA führt.

Als Solschenizyn in die Bundesrepublik abgeschoben wird, sorgt gerade der erste Band des "Archipel Gulag" für Aufsehen. Darin schildert der Autor das System der Straflager in der Sowjetunion. Er selbst verbrachte acht Jahre – von 1946 bis 1953 – wegen Stalin-kritischer Äußerungen im "Gulag". In drei Bänden versucht Solschenizyn eine künstlerische Aufarbeitung seiner Erfahrungen – und erschüttert damit Millionen Menschen im Westen, vor allem die, die noch Hoffnungen auf den Sozialismus im Ostblock setzten. In Solschenizyns Heimat erscheint die aufrüttelnde Abrechnung mit dem Straflagersystem erst Ende der 80er Jahre. Die geläuterte Sowjetunion will Solschenizyn für sein Hauptwerk den Staatspreis verleihen, doch der lehnt ab. 1994 kehrt "Russlands letzter Prophet", wie der zuweilen genannt wird, nach Moskau zurück.

Stand: 13.02.04