Egon Erwin Kisch vor Haus mit Zigarette im Mund (1932 s/w)

Stichtag

31. März 1948 - Tod des Journalisten Egon Erwin Kisch

1977 stiftet Henri Nannen einen Preis, mit dem seither Print-Journalisten für herausragende Reportagen geehrt werden. Zum Namenspaten seiner Auszeichnung macht der "Stern"-Gründer einen weitgehend vergessenen Vertreter der schreibenden Zunft: Egon Erwin Kisch. In den 1920er und 30er Jahren kennt ganz Europa den "rasenden Reporter", der mit subtil beobachteten und stilistisch geschliffenen Texten das Genre des literarischen Journalismus begründet.

"Die Wahrheit ist das edelste Rohmaterial der Kunst" lautet die Maxime des deutsch sprechenden und schreibenden Tschechen aus Prag. Kischs Kunst ist es, die ungeschminkte Realität, in Prag, in Russland, China oder den USA, mit ausgefeilter, schriftstellerischer Eleganz zu Papier zu bringen. "Bedarf die Gestaltung der Wahrheit keiner Phantasie? Es ist wahr, die Phantasie darf sich hier nicht entfalten, wie sie lustig ist. Nur der schmale Steg zwischen Tatsache und Tatsache ist zum Tanze frei gegeben…"

Kommunist und Kosmopolit

Der Sohn eines jüdischen Tuchhändlers wird 1885 als Egon Kisch geboren. Den Vornamen Erwin legt er sich selbst zu. Der junge Haudegen, Mitglied eines Studentencorps, ist schlecht in der Schule und bricht zwei Studien und die Journalistenschule in Berlin ab. Die meiste Zeit seines Militärdienstes sitzt Kisch im Arrest. Der Aufstieg des bald meistgelesenen Journalisten seiner Zeit beginnt 1913 als Lokalreporter der Zeitung "Bohemia". Begeistert taucht Kisch in die schillernde Halb- und Unterwelt Prags ein und fesselt seine Lesern mit pointierten Berichten aus dem "Miljöh" der Großstadt. Mit einem mutigen Enhüllungsartikel über den Selbstmord des österreichischen Oberst Redl, eines russischen Spions, erregt der 28-jährige Kisch landesweit großes Aufsehen.

Als Soldat im Ersten Weltkrieg wird Egon Erwin Kisch an der russischen Front schwer verletzt. Seine erschütternden Kriegserlebnisse veröffentlicht er später unter dem Titel "Schreib das auf, Kisch!". Politisch wandelt er sich in jenen Jahren zum überzeugten und engagierten Kommunisten. 1924 erscheint "Der rasende Reporter", eine Reportage-Sammlung, die Kisch endgültig berühmt macht. Als Kosmopolit, überall und nirgends zuhause, reist der Kettenraucher nun umher und schreibt – immer der Wahrheit verpflichtet – packende Berichte aus aller Welt und allen Schichten der Gesellschaft.

Verzehrende Jahre im Exil

Die Anfänge der Nazi-Herrschaft erlebt Kisch in Berlin mit. Als 1933 der Reichstag brennt, gehört der bekennende Kommunist zu den Ersten, die inhaftiert werden. Sein tschechischer Pass rettet dem jüdischen Journalisten das Leben. Aus Deutschland ausgewiesen, engagiert sich Kisch zunächst in Frankreich vehement gegen den Faschismus. Eine Reise nach Australien 1934 mündet für den Exilanten in eine ruhelose Irrfahrt durch Amerika und Europa. Als Kommunist vielerorts unerwünscht, strandet Kisch 1940 schließlich in Mexiko, damals Fluchtpunkt vieler deutscher Intellektueller in der Emigration.

Seine Energie und unermüdliche Neugier erlahmen, der Band "Entdeckungen in Mexiko" wird Kischs letztes Werk bleiben. Vom Heimweh getrieben kehrt der müde Weltenbummler 1946 nach Prag zurück, in eine verlorene Heimat: "Prag ist voll von Freunden, die nicht mehr leben, jedes Haus, jede Straßenecke drängt Tränen in die Augen." Nach zwei Schlaganfällen stirbt Egon Erwin Kisch am 31. März 1948. "Er hat gezeigt, welche Kraft szenische Darstellung auch für Literaten haben kann", beschreibt Andreas Wolfers, Juror des Egon-Erwin-Kisch-Preises, die stilprägende Leistung des "rasenden Reporters".

Stand: 31.03.2013

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