Fluglotsen in der Eurocontrol-Zentrale in Maastricht

Stichtag

1. März 1963 - Eurocontrol-Abkommen tritt in Kraft

Ein Vulkan deckt im April 2010 ein ungelöstes Problem der europäischen Luftfahrt auf: Nach dem Ausbruch des Eyjafjallajökull auf Island sorgen Aschewolken tagelang für ein einzigartiges Chaos im Flugverkehr. "Europa braucht eine Regulierungsbehörde für einen einheitlichen europäischen Himmel", fordert EU-Verkehrskommissar Siim Kallas nach der Naturkatastrophe. Statt einer schnellen koordinierten Reaktion, so Kallas, habe es in Europas Luftraum nur Stückwerk gegeben.

Eigentlich sollte das Problem des nationalen Flickenteppichs an Europas Himmel seit 50 Jahren gelöst sein. Zur Schaffung eines einheitlichen Luftraums vereinbaren die Bundesrepublik, Frankreich, Großbritannien und die Benelux-Staaten im Dezember 1960 die Gründung der "European Organisation for the Safety of Air Navigation", kurz Eurocontrol genannt. Am 1. März 1963 tritt das Abkommen über die supranationale Organisation mit Sitz in Brüssel in Kraft.

Sicherheit im oberen Luftraum

Damals nimmt das Gedränge am Himmel rasant zu. Allein über Deutschland sind Anfang der 60er Jahre bis zu 150 Passagiermaschinen gleichzeitig in der Luft, Hunderte Militär- und Sportflugzeuge nicht mitgerechnet. Zudem müssen Fluglotsen durch das stetig steigende Aufkommen an Düsen-Jets neue Aufgaben bewältigen. Die überfliegen Ländergrenzen viel schneller als Propellermaschinen. Statt nur den eigenen nationalen Luftraum zu sichern, müssen die Lotsen nun jede Maschine von Land zu Land "weiterreichen", um Kollisionen zu vermeiden.

Zudem fliegen Düsenmaschinen deutlich über der Grenze von 6.000 Metern, an der die Flugsicherung bislang endet. Eurocontrol hat die Aufgabe, die Koordination im neuen "oberen Luftraum" mit höchstmöglicher Sicherheit zu überwachen. Das Flugsicherungs-Abkommen wird zunächst für einen Zeitraum von 20 Jahren abgeschlossen. Als Fernziel soll durch Eurocontrol die Zersplitterung des Luftraums in nationale Hoheitsgebiete überwunden und ein "Single European Sky", ein einheitlicher Luftraum über Europa, geschaffen werden. Doch der ambitionierte Plan scheitert an nationalen Eigeninteressen.

Die Kollisions-Katastrophe bei Überlingen

Während die Benelux-Staaten und Deutschland Flugsicherungs-Zentralen in Maastricht und Karlsruhe einrichten, weigern sich Großbritannien und Frankreich, die komplette Luftraumüberwachung, also auch die militärische – aus der Hand zu geben. Nachdem 1976 Irland die vereinbarte Inbetriebnahme einer Kontroll-Zentrale in Shannon ablehnt, zieht auch die Bundesrepublik Konsequenzen und unterstellt die Zentrale in Karlsruhe nicht Eurocontrol, sondern der Bundesanstalt für Flugsicherung.

Die Mitgliedsstaaten verlängern zwar 1983 den Eurocontrol-Vertrag um weitere 20 Jahre. Doch die Verhandlungen über die supranationalen Kompetenzen der europäischen Flugsicherungszentrale dauern an. Der einheitliche Luftraum bleibt zunächst eine Vision, der Flickenteppich am Himmel bis heute Realität. Welche Risiken das "Weiterreichen" eines Flugzeugs von Land zu Land birgt, erweist sich am 1. Juli 2002 bei Überlingen am Bodensee. Durch Missverständnisse zwischen der deutschen und der Schweizer Flugsicherung kollidiert eine russische Passagiermaschine in der Luft mit einem Frachtflieger. 71 Menschen, darunter 49 Kinder, kommen ums Leben.

Stand: 01.03.2013

Programmtipps:

Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Freitag gegen 17.40 Uhr und am Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.