Ein Feuerwehrmann betrachtet den Schaden

Stichtag

18. Februar 2003 - Verheerender Brandanschlag auf U-Bahn in Daegu

Es ist kurz nach 10.00 Uhr, als in der Feuerwehr-Leitstelle im südkoreanischen Daegu verzweifelte Handy-Anrufe eingehen. Es sind Fahrgäste eines U-Bahn-Zugs, die am City-Bahnhof Jungangno in einer Flammenhölle um ihr Leben kämpfen. Die Zentrale der U-Bahn weiß zu diesem Zeitpunkt noch nichts von einem Unglück auf ihrer einzigen Linie. Besorgte Bürger, die von Angehörigen im Zug alarmiert worden waren, bekommen dort nur die telefonische Auskunft: "Wir haben noch keine offizielle Bestätigung für Ihre Meldung."

Bunt und fröhlich hatte sich Daegu sieben Monate zuvor als Spielort der Fußball-WM 2002 präsentiert. Am 29. Juni verabschiedete sich dort Gastgeber Südkorea im "kleinen Finale" mit 2:3 gegen die Türkei aus dem Wettbewerb. Um den WM-Verkehr zu bewältigen, hatte Südkoreas viertgrößte Stadt extra eine U-Bahn-Linie gebaut. Am 18. Februar 2003 finden dort bei einem Brandanschlag fast 200 Menschen den Tod. Es ist eine der schlimmsten Katastrophen in der Geschichte der U-Bahnen.

Zweiter Zug wird nicht gestoppt

Unter den rund 200 Fahrgästen der Linie 1 befindet sich auch der arbeitslose Taxifahrer Kim Dae-han. Kurz vor dem Bahnhof Jungangno sehen umstehende Reisende entsetzt, dass der 56-Jährige einen Milchkarton voller Benzin entzünden will. Sie versuchen, den Attentäter zu überwältigen, doch bei der Einfahrt ins unterste Geschoss des dreistöckigen Bahnhofs fällt der Karton zu Boden. Kim Dae Han wirft sein Feuerzeug in das auslaufende Benzin; in Sekundenschnelle breitet sich das Feuer über die leicht entflammbare Innenausstattung des Zugs aus.

Die Türen sind zur Abfahrt bereits wieder geschlossen, der Strom fällt aus, die Fahrgäste sitzen in der Falle. Eine Sprinkleranlage gibt es nicht in der hochmodernen U-Bahn. Ungehindert greifen die Flammen auf den ganzen Zug über. Schwarzer, giftiger Rauch nimmt den Menschen die Luft zum Atmen. Mitten in dieses Inferno rollt aus der Gegenrichtung ein zweiter Zug in die Station ein. Die Leitstelle hatte den Fahrer nicht vor der Katastrophe gewarnt. Im Nu werden auch diese Waggons von dem Feuer erfasst. Bei Temperaturen von bis zu 1.000 Grad schmelzen Teile der Bahnhofsdecke und stürzen herab.

Gravierende Sicherheitsmängel

Als sich die ersten Rettungskräfte endlich durch dichte Rauchschwaden in die Station Jungangno vorkämpfen, stoßen sie auf zahllose bewusstlose Rauchgas-Opfer. Meter um Meter arbeiten sich die Feuerwehrleute zum Brandherd 20 Meter unter der Erde vor. Erst nach über drei Stunden sind die Flammen unter Kontrolle. Fast 150 Verletzte und 198 Tote müssen die Retter bergen, viele der Leichen sind bis zur Unkenntlichkeit verkohlt. Von den Waggons sind nur noch Stahlskelette übrig. Unter den Überlebenden wird auch der verletzte Attentäter entdeckt. Als Motiv für seine Wahnsinnstat gibt der geistig verwirrte Mann einen Selbstmordversuch an.

Vor Gericht bereut der seit einem Schlaganfall halbseitig gelähmte Kim Dae-han seinen Anschlag. Mit ihm auf der Anklagebank sitzen vier Bedienstete der U-Bahn, da der Brand gravierende Mängel im Sicherheits- und Kommunikationssystem offenbart hat. Unter ihnen sind auch die beiden Zugführer, denen unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen wird. Alle vier erhalten wegen fahrlässiger Tötung Haftstrafen zwischen drei und fünf Jahren. Der Hauptangeklagte entgeht als eingeschränkt zurechnungsfähig der Todesstrafe. Im August 2003 wird Kim Dae-han zu lebenslanger Haft verurteilt; ein Jahr später stirbt er im Gefängnis. 

Stand: 18.02.2013

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