Mann auf dem Sofa eines Psychotherapeuten

Stichtag

12. Februar 1998 - Psychotherapeutengesetz verabschiedet

In den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts kommt statistisch gesehen jeder zehnte Deutsche im Laufe seines Lebens in eine depressive Phase. An wen er sich dabei wenden kann, um wirklich Heilung zu erhoffen, ist aber ungewiss. Therapeut für Seelenfragen darf sich damals jeder nennen: Tarotkartenleger, Wunderheiler, approbierte Mediziner, Psychologen oder Verhaltens- und Psychotherapeuten mit Diplom.

Wer ist wann Psychotherapeut?

Aus naheliegenden Gründen ist Letzteren daran gelegen, ihren Berufsstand durch eine gesetzliche Grundlage klar zu definieren. Erste Vorstöße aber scheitern, so auch 1993: Zum einen wollen die Ärzte keinen anderen akademischen Heilberuf in der Kassenärztlichen Vereinigung akzeptieren, zum anderen wehren sich die Psychotherapeuten dagegen, dass Patienten bei ihnen im Unterschied zur Arztbehandlung zehn D-Mark Sitzungsgebühr zuzahlen sollen.

Erst Ende der 90er Jahre zeitigen die Verhandlungen Früchte. Die Forderung der FDP nach der privaten Zuzahlung einer Sitzungsgebühr wird 1997 im Vermittlungsausschuss abgelehnt. Am 12. Februar 1998 verabschiedet der Bundestag das sogenannte Psychotherapeutengesetz, das im Januar des darauf folgenden Jahres in Kraft tritt. Es regelt endgültig, wer sich mit dem Titel schmücken darf und welche Ausbildung er hierzu durchlaufen haben muss. Und es macht klar, wann die Krankenkassen die Kosten für eine Psychotherapie übernehmen müssen: dann nämlich, wenn der Therapeut eine Approbation in Verhaltenstherapie, Psychoanalyse oder tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie nachweisen kann.

"Das ist eine ganz wichtige Errungenschaft", resümiert damals Walter Ströhm vom Deutschen Fachverband für Verhaltenstherapie (DVT). "Wir sind alle froh, dass es nun in Kraft tritt".

Kostenlose Arbeit

Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn die Kluft zwischen Arzt und Psychotherapeuten ist bis heute immer noch groß. Das zeigt sich vor allem in den Krankenhäusern. Während Mediziner nach ihrem Studium rund 1.000 Euro Assistenzarztgehalt bekommen, arbeiten Psychotherapeuten zur selben Zeit im Rahmen ihrer Ausbildung umsonst. In den Kliniken stellen sie eigenverantwortlich Diagnosen, führen Therapiegespräche und leiten Gruppensitzungen, haben de facto aber den Status von Praktikanten. Um dies zu ändern, geht der psychotherapeutische Nachwuchs immer wieder auf die Straße. Im November 2012 demonstriert er in elf deutschen Städten für eine Änderung des Psychotherapeutengesetzes.

Inzwischen hat die Depression den Rückenschmerz als Volkskrankheit Nummer eins abgelöst. Heute leidet fast jeder dritte Arbeitnehmer an depressiven Verstimmungen, 2012 stieg die Zahl der Krankmeldungen aufgrund seelischer Probleme auf ein bis dato unerreichtes Hoch. Laut Schätzungen des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen (BKK) entsteht der Volkswirtschaft hierdurch ein Schaden von rund sieben Milliarden Euro jährlich.

Stand: 12.02.2013

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