Die Zufahrt zum Tor Süd des Frankfurter Chemiekonzerns Hoechst AG am 16.3.1993.

Stichtag

30. Januar 1863 - Gründung der Farbwerke Hoechst

Das Ende von Hoechst beginnt 1993 in der Nacht zum Rosenmontag. Beim sogenannten Griesheimer Unfall kommt es im Farbstoff- und Pigmentbereich der Fabrik zu einer Verpuffung, wobei giftige Dämpfe entweichen. 40 Menschen müssen mit Atembeschwerden ins Krankenhaus, die Umgebung muss aufwändig dekontaminiert werden.

Nach zwei weiteren Unfällen in anderen Hoechst-Werken im selben Jahr übergibt der Vorstandsvorsitzende Wolfgang Hilger sein Amt 1994 an den Wirtschaftswissenschaftler Jürgen Dormann – seit Jahrzehnten den ersten Vorstandschef ohne Ausbildung im chemischen Bereich. In Dormanns Wirkungszeit wird der Konzern zerschlagen.

Von der "Rotfabrik" zum Medizinkonzern

Die Geschichte von Hoechst beginnt am 30. Januar 1863, als sich die Chemiker Carl Friedrich Wilhelm Meister und Eugen Lucius mit dem Kaufmann Ludwig August Müller in Höchst bei Frankfurt zur "Teerfarbenfabrik Meister, Lucius & Co." zusammentun. Damals rühren gerade einmal fünf Arbeiter in offenen Kesseln rote Farbe zusammen, deren Dämpfe die Wäsche in der Nachbarschaft einfärben, was dem jungen Unternehmen den Spitznamen "Rotfabrik" einträgt.

Die Zahl der Arbeiter steigt schnell an, ebenso wie das Renommee des Unternehmens, das inoffiziell längst "Hoechster Farbenfabrik" genannt wird: 1863 trägt die Gemahlin Kaiser Napoleons III. ein auffällig schimmerndes Abendkleid, das mit dem Aldehydgrün der Fabrik gefärbt worden ist.  Der große Durchbruch gelingt dem Unternehmen, als Mediziner Ende des 19. Jahrhunderts erkennen, dass die Farbstoffe des Unternehmens, die sie bei Analysen zum Einfärben von Krankheitserregern in Zellkulturen verwenden, die Krankheitserreger zugleich unschädlich machen.

Von nun an entwickelt die Hoechster Farbenfabrik Medikamente wie das fiebersenkende und schmerzstillende "Antipyrin". Das Unternehmen wird zur "Apotheke der Welt", in der wirksame Mittel gegen Diphterie und Syphilis entstehen – unter reger Mithilfe der späteren Nobelpreisträger Robert Koch, Emil von Behring und Paul Ehrlich. Später gehört auch die Kunststoffproduktion zum Kerngeschäft.

"Selbst gewählte Zellteilung"

Vor dem Ersten Weltkrieg beschäftigt die Hoechster Farbenfabrik bei einem weltweiten Jahresumsatz von 100 Millionen Reichsmark bereits 9.000 Mitarbeiter. Von 1925 bis 1945 gehört der Konzern zu den IG Farben. Der Name Hoechst wird erst 1951 bei der Neugründung offiziell. Beim groß gefeierten 125-jährigen Bestehen im Jahr 1988 sind für den Konzern knapp 200.000 Menschen in 120 Ländern tätig.

Ende der 90er Jahre zerschlägt der Hoechst-Chef Jürgen Dormann, der das Unternehmen auf den Bereich der Pharmazie und des Pflanzenschutzes reduzieren will, den Konzern – und leitet mit dem Verkauf der Kunst- und Farbstoffsparte in dieser von ihm so genannten "selbst gewählten Zellteilung“ den Abstieg des Konzerns in die völlige Bedeutungslosigkeit ein.

1999 fusioniert Hoechst mit dem Konkurrenten Rhône-Poulenc zum deutsch-französischen Gemeinschaftsunternehmen Aventis. Fünf Jahre später wird Aventis mit Unterstützung der französischen Regierung vom Arzneimittelhersteller Sanofi aufgekauft. Auch wenn es die Marke "Hoechst" bis heute gibt: Als deutscher Weltkonzern ist Hoechst damit endgültig Geschichte.

Stand: 30.01.2013

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