Baron Philippe de Rothschild

Stichtag

20. Januar 1988 - Philippe de Rothschild stirbt in Paris

Wenn Weinhändler auf dem Château Mouton-Rothschild bei Bordeaux zur Verkostung vorfahren, absolvieren sie eine Art Antrittsbesuch. Nicht sie entscheiden, wie viele Flaschen sie kaufen. Sondern die jeweiligen Inhaber des Château legen fest, wie viel Wein zu welchem Preis in welche Region der Welt geht: ob nach Russland, in die USA oder nach Asien. Das letzte Wort hat heute Baronin Philippine de Rothschild - die Tochter jenes Mannes, der das Weingut berühmt gemacht hat: Baron Philippe de Rothschild, Mitglied der Bankiers-Dynastie der Rothschilds.

Anders als seine Vetter hat Philippe Georges de Rothschild sein Leben jedoch nicht dem Bankwesen gewidmet, sondern der Kunst und dem Anbau edler Weine. "Ich habe den Sinn des Lebens durch einen außergewöhnlichen Glücksfall entdeckt, den ich - so sehr sie uns ansonsten geschadet haben - den Deutschen zu verdanken habe", erinnert sich der am 13. April 1902 in Paris geborene Baron. Aus Angst vor den Geschossen, die im Ersten Weltkrieg von den Deutschen mit der "Dicken Bertha" - einer Kanone aus dem Hause Krupp - auf Paris abgefeuert wurden, haben ihn seine Eltern für den Rest der Schulzeit auf dem damals heruntergekommenen Weingut in Südfrankreich in Sicherheit gebracht. Rothschild entwickelt dadurch eine besondere Vorliebe für das Leben in der Provinz.

Geschäftsidee: eigene Flaschenabfüllung

Neben dem Weinbau interessiert sich Rothschild auch für schnelle Autos und fährt bei Grand-Prix-Rennen ganz vorne mit. Auch als Playboy macht er sich einen Namen: "Weine sind wie Frauen - unbeständig, zurückhaltend und schwer zufrieden zu stellen." Sein Studium schließt er mit dem Doktorgrad der Naturwissenschaften ab, leitet ein avangardistisches Theater in Paris und übersetzt später altenglische Gedichte. Die Leitung des Château Mouton übernimmt Rothschild 1922 im Alter von gerade einmal 20 Jahren.

Bereits zwei Jahre später landet er seinen ersten unternehmerischen Coup. Rothschild liefert seinen Wein nicht mehr in Fässern an die Großhändler, sondern lässt ihn auf dem Gut selbst in Flaschen abfüllen. Dieses Vorgehen setzt sich auf dem Markt durch. Seinen Weinkeller richtet Rothschild 1927 nach damaligen Verhältnissen modern ein: die Wände werden weiß gestrichen und die Räume indirekt beleuchtet. Anfang der 1930er Jahre entwickelt der Jungunternehmer eine erfolgreiche Strategie, schlechtere Erzeugnisse als Zweitweine zu vermarkten.

Etiketten-Kunst

Im Zweiten Weltkrieg flüchtet Rothschild, der einer alten jüdischen Familie entstammt, nach England, wo er sich der französischen Widerstandsbewegung anschließt. Seine Frau, die Comtesse Elisabeth Pelletier, die in Frankreich bleibt, wird später im Konzentrationslager Ravensbrück ermordet. Rotschild selbst nimmt als Offizier der Truppen des "freien Frankreich" 1944 an der Landung der Alliierten in der Normandie teil.

Der Jahrgang 1945 wird einer der legendärsten seines Weingutes: Die Etiketten dieser Flaschen lässt der Baron mit einem ein "V" für "Victory" ("Sieg") verzieren. Für eine Flasche dieses Jahrgangs wird im Auktionshaus Christie's mittlerweile ein Preis von über 22.000 Euro erzielt. Seither werden die Etiketten regelmäßig von Künstlern gestaltet. Daran beteiligt haben sich unter anderem Picasso, Chagall, Miro, Dali und Warhol. Auch nach dem Tod von Philippe de Rothschild am 20. Januar 1988 in Paris wird diese Tradition fortgesetzt. 1989, im Jahr des Mauerfalls, ist der Deutsche Georg Baselitz an der Reihe. Bezahlt werden die Künstler bis heute mit Wein.

Stand: 20.01.2013

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