Stichtag

20. Dezember 1812 – Erstausgabe der "Kinder- und Hausmärchen" erscheint

Jacob und Wilhelm Grimm sind Sammler. Unermüdlich tragen sie jene Texte von verzauberten Prinzen, bösen Hexen und treu sorgenden Mädchen zusammen, die zuvor über Generationen von Mund zu Mund weitergetragen werden. "Das Geschäft des Sammelns, sobald es einer ernstlich tun will, verlohnt sich bald der Mühe", lautet dabei ihr Credo: "und das Finden reicht noch am nächsten an jene unschuldige Lust der Kindheit heran, wenn sie in Moos und Gebüsch ein brütendes Vöglein auf seinem Nest überrascht".

Notiert ist das Motto 1814 im Sammelband der "Deutschen Sagen" - eine weitere große Leistung von Jacob und Wilhelm Grimm. Aber für die "Kinder- und Hausmärchen" der beiden Brüder gilt es genauso.

Dem Volk aufs Maul geschaut?

Angeregt werden die Gebrüder Grimm von Clemens Brentano und Achim von Arnim, die zwischen 1805 und 1808 unter dem Titel "Des Knaben Wunderhorn" eine dreibändige Sammlung mit Volksliedtexten zusammentragen. Es ist die Zeit der Romantik, die nicht nur das Mittelalter, sondern auch die mündlich zumeist von Großmüttern auf dem Land tradierten Geschichten für sich entdeckt. Zu den begeisterten Sammlern dieser Volkstexte gehören auch die Brüder Werner und August Franz von Haxthausen aus dem Paderborner Land, auf deren Gutshof die Grimms oft zu Besuch sind. Sie werden zu einer der wichtigsten Quellen. Das Märchen von Frau Holle geht auf sie zurück. Die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff aus dem Münsterland war ihre Nichte.

Insgesamt greifen die Grimms auf rund 50 Märchenkenner zurück. Außer einem Wachtmeister Krause und der Erzählerin Dorothea Vielmann, die "Rotkäppchen" und "Schneewittchen" beisteuert, sind auffallend wenige Großmütter und auffallend viele gebildete junge Frauen unter den Zuträgern.

"Bei aller Welt bekannt gemacht"

Am 20. Dezember 1812 bringen die Gebrüder Grimm den ersten Band der "Kinder- und Hausmärchen" heraus. "Der Froschkönig" ist ebenso enthalten wie "Hänsel und Gretel", "Aschenputtel" oder "Rapunzel". Dabei folgen die Grimms einem durchaus pädagogischen Impuls: Ihre Sammlung soll "in ihrem reinen und milden Lichte die ersten Gedanken und Kräfte des Herzens wachsen" lassen und Kinder wie Erwachsene mit "ihrer Wahrheit belehren". Für den stilbildenden literarischen Märchenton ist Wilhelm Grimm verantwortlich. Er überzuckert die teils grausamen Texte mit einem heimelig anmutenden und nach Kaminfeuer duftenden Charme.

900 Exemplare der "Kinder- und Hausmärchen" lässt der Berliner Verleger Georg Andreas Reimer anfangs drucken und zum Preis von einem Taler und 18 Groschen pro Band verkaufen – ein riskantes Unterfangen, denn der Erfolg des Projekts ist keineswegs gewiss. Auch die Kritiker bleiben nicht aus und werfen der Erstausgabe vor, zwischen Kinderbuch und wissenschaftlicher Edition hin- und her zu schlingern.

Mit jeder Ausgabe aber steigt ihre Popularität, sodass Wilhelm Grimm schließlich resümieren kann: "Die Märchen haben uns bei aller Welt bekannt gemacht". Heute sind die "Kinder- und Hausmärchen" der Gebrüder Grimm in über 170 Sprachen greifbar.

Stand: 20.12.2012

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