Stradivari in seiner Werkstatt an einer Geige arbeitend (Stich s/w)

Stichtag

18. Dezember 1737 - Tod des Geigenbauers Antonio Stradivari

Kein Musikinstrument entzündet die Fantasie mehr als eine Violine aus den Händen von Antonio Stradivari. Stolze Namen wie "Sleeping Beauty", "Aurea" oder "Jupiter" schmücken die Meisterwerke des legendären Geigenbauers, und ihr Klang reift im Lauf der Jahrhunderte wie edler Wein. Rund die Hälfte aller Originale ist verschollen oder wurde geraubt. Wenn - selten genug - eine echte Stradivari zum Verkauf steht, sind Liebhaber bereit, astronomische Summen zu bezahlen. Wie jener Unbekannte, der im vergangenen Jahr in London die "Lady Blunt" von 1721 für mehr als zwölf Millionen Euro ersteigerte.

Zwischen 1644 und 1648 als Sohn einer Patrizierfamilie aus Cremona geboren, gilt Antonio Stradivari bereits zu Lebzeiten als genialer Instrumentenbauer. Sein Handwerk soll er als Schüler von Nicola Amati erlernt haben. Möglich auch, dass er Schreiner war, was sein einzigartiges Wissen um die Auswahl und Bearbeitung von Holz erklären würde. Stradivaris beste Geigen wie jene "Lady Blunt" entstehen in den "goldenen Jahren" zwischen 1700 und 1725. Bis zu seinem Tod am 18. Dezember 1737 soll der Cremoneser Meister rund 1.100 Violinen, Bratschen und Celli sowie einige Gitarren und eine Harfe gefertigt haben.

Auch Geigen brauchen Bewegung

Eine der wertvollsten Geigen, früher im Besitz des Virtuosen Joseph Joachim, gelangt 1961 in das Stradivari-Museum von Cremona. Ihr Holz leuchtet typisch rotgolden und durch die F-Löcher in der Decke ist das Original-Etikett zu sehen: "Antonius Stradivarius Cremonensis faciebat".  Den Wert der als "Il Cremonese" weltberühmten Geige beziffert Andrea Mosconi mit 20 Millionen Euro. Der Museumskurator holt seine größte Kostbarkeit dennoch beinahe täglich aus der Vitrine. "Die Geige ist in etwa wie der menschliche Körper. Sie braucht Bewegung", erklärt Mosconi. "Je mehr sie gespielt wird, desto besser klingt sie."

Wie Stradivari seinen Kunstwerken den unnachahmlichen Klang einhauchte, untersuchen Musikexperten und Wissenschaftler noch immer. Ist es die besondere Beschaffenheit des Holzes, das während der Kleinen Eiszeit (16. - 18. Jahrhundert) in Europa wuchs? Ist es der von Stradivari entwickelte, leicht gewölbte Resonanzkörper mit seinen länglichen F-Löchern und der größeren Schnecke? Die Konstruktion und die mit höchster Perfektion ausgeführte Verarbeitung der rund 80 Holz-Einzelteile? Oder sind auch Farbe und Lack an der klaren, präzisen Artikulation mit ihrer lebhaften Klangstärke und der großen Tragweite des Tons beteiligt? Antonio Stradivari selbst hat sein Geheimnis mit ins Grab genommen.

Anklänge an die menschliche Stimme

Zehn Jahre hat sich der Physiker Heinrich Dünnwald intensiv mit dem Klang-Mythos der Stradivari beschäftigt. Zusammen mit dem Bonner Geigenbauer Peter Greiner steckte er Geigen in den Computertomograf, analysierte den Lack und vermaß die Klangkurven von mehr als 1.000 Violintönen. Dabei kamen Übereinstimmungen mit der menschlichen Stimme zutage. "Es ist der e-i-Vokal, der einen guten Geigenklang ausmacht, und diese Idealkurve haben wir dann auch zu hören gelernt", fasst Greiner die Forschungsresultate zusammen, die er sich nun beim Bau seiner Instrumente zunutze macht.

"Einige Dinge kann man enträtseln, was die Herstellung des Instruments angeht", sagt Marcello Villa, einer von gegenwärtig etwa 150 Geigenbauern in Cremona. "Aber letzten Endes weiß man nie, was dabei herauskommt." Villa orientiert sich nach wie vor an seinem großen Vorbild Stradivari. Nicht nur des vollendeten Klangs wegen, sondern auch aus handfesten geschäftlichen Gründen: "Die Musiker verlangen von uns, möglichst ähnliche Geigen zu bauen. Auch das gehört zum Geheimnis."

Stand: 18.12.2012

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