Pater Johannes Leppich 1968 vor dem Dom in Fulda (s/w)

Stichtag

7. Dezember 1992 - Tod des Jesuitenpaters Johannes Leppich

"Achtung, Achtung! Pater Leppich, Ihre Redezeit ist beendet", tönt es aus dem Polizeilautsprecher. Doch so darf man dem hageren Mann in der Soutane nicht kommen. "Ja, ja, meine Herren von der Polizei", bellt der Pater vom Dach seines Mikrofonwagens über die Köpfe von abertausenden Zuhörern zurück. "Ich habe es gehört. Aber nein, ich schließe nicht!" Johannes Leppich ist nicht zu bremsen, wenn er auf Plätzen oder in Fußballstadien "christlichen Etappenspießern und religiösen Blindschleichen" die Leviten liest.

Rund 15 Millionen Menschen haut der wortgewaltige Jesuit in den 1950er und -60er Jahren die christliche Lehre regelrecht um die Ohren. "Das Evangelium ist nun mal kein Schlafpulver, sondern Dynamit", lautet Leppichs Credo für ein gelebtes, soziales Christentum und gegen eine "Kirche der Krämerseelen". Durch seine volksnahe Bibelauslegung vermittelt der Jesuitenpater vielen religiös entwurzelten Menschen der Nachkriegszeit eine neue geistige Heimat.

Erste Massenpredigt in Essen

Der 1915 geborene Sohn eines schlesischen Zuchthauswärters findet nicht aus Religiosität zu den Jesuiten. Als begeisterter Hitlerjunge streitet der 17-jährige Johannes zu gern mit seinem Religionslehrer. Der schickt den jungen Hitzkopf entnervt zu einem Exerzitienkurs. Das Ergebnis: "Ich bin aus der Hitlerjugend direkt umgestiegen in den Jesuitenorden." Leppich wird zum NS-Arbeitsdienst eingezogen, als Ordensangehöriger aber vom Wehrdienst befreit. Er studiert Theologie und Philosophie, meldet sich 1946 zur Seelsorge im Flüchtlingslager Friedland und betreut zehn Jahre lang Menschen in Kasernen und Lagern.

Durch diese Erfahrungen und seine spätere Arbeit in Gefängnissen und heruntergekommenen Großstadtbezirken lernt Leppich die sozialen Verhältnisse und der Sprache der Menschen dort genau kennen. Nach einer Predigt 1948 vor 5.000 Gläubigen im Essener Zirkus Bügler erkennt er: "Ich muss an ein Publikum heran, das keinen Weihrauch mehr riechen kann, was in keine Kirche geht." Von nun an verlegt Leppich seine flammenden Ansprachen nach draußen und zieht teilweise bis zu 40.000 begeisterte Zuhörer an. In derb-populärem Vokabular wettert er dabei nicht nur gegen ein "verfettetes Christentum". Mit messerscharfen Sprüchen macht Leppich auch vehement gegen die Gefahren des Kommunismus Front.

Dreckarbeit im Reiche Gottes

In sogenannten "Leppich-Kreisen" und der später gegründeten "Aktion 365" schart der Volksprediger zeitweise bis zu 20.000 "Partisanen Gottes" für seine sozialen Anliegen um sich. Mit dieser Helfer-Armee sammelt er waggonweise Sachspenden und Millionen D-Mark für Bedürftige ein. Johannes Leppich selbst reist unermüdlich durch die Bundesrepublik und verausgabt sich in bis zu 80 Ansprachen pro Jahr. Das "Maschinengewehr Gottes", wie die Presse den Jesuiten wegen seiner hämmernden Rhetorik und schnellen Sprechweise nennt, initiiert zudem die deutsche Telefonseelsorge, die "SOS Priester-Notrufplakette" und die Bibel-Auslage in Hotels.

Mit seiner "Dreckarbeit im Reiche Gottes" macht sich Leppich innerhalb der Kirche nicht nur Freunde. In einigen Pfarreien und Kirchen darf er nicht auftreten. Ein generelles Redeverbot aber wird dem exzentrischen Nahkampf-Seelsorger von seinem Orden oder gar dem Papst nie auferlegt. Nach einem Herzinfarkt 1971 muss Johannes Leppich die Massenpredigten aufgeben und seine Seelsorge in kleinem Rahmen mit Meditationen und Kirchenpredigten fortsetzen. Gesundheitlich schwer angeschlagen zieht er sich mit 74 Jahren ins Haus Sentmaring, dem Münsteraner Altersheim der Jesuiten, zurück. Nach einer letzten Predigt vor 12.000 Pilgern auf dem oberschlesischen Annaberg stirbt Johannes Leppich am 7. Dezember 1992 in Münster.

Stand: 07.12.2012

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