Ölpest durch Tanker Prestige vor Spanien

Stichtag

13. November 2002 - Tanker "Prestige" verursacht Ölpest vor Spanien

Um 15.15 Uhr funkt der griechische Kapitän Apostolos Mangouras am 13. November 2002 die Küstenwache an. 52 Kilometer vor der gefürchteten Todesküste in Galicien, der Costa de la Muerte, sei sein Schiff im Sturm am Rumpf leck geschlagen. Sein Schiff ist die "Prestige", ein unter Billigflagge fahrender, schrottreifer Tanker mit 77.000 Tonnen Schweröl an Bord. In Europa hätte die Ladung - hochgiftiger, klebriger Überrest von der Erdölherstellung - als Sondermüll entsorgt werden müssen. Bis auf den Kapitän, seinen ersten Offizier und den Maschinisten wird die Mannschaft evakuiert. Der damalige spanische Vizepremier Mariano Rajoy teilt mit, alles sei unter Kontrolle. Auch als bereits mehrere hundert Kilometer Küste vom Öl verseucht sind, spricht er von einzelnen, kleinen Flecken: "Ich bin der festen Überzeugung, wir werden aus dieser Situation herauskommen."

Hohe See statt sicherer Hafen

Jörn Ehlers vom WWF Deutschland steht damals in engem Kontakt mit den spanischen Kollegen. Man habe die Gefahr lange Zeit unterschätzt, wusste nicht, was man tun sollte, sagt er. "Ich glaube sogar, der damalige Regionalregierungschef Manuel Fraga Iribarne, ein Urgestein der spanischen Politik, war auf der Jagd und wollte zunächst gar nicht zurückkommen", erinnert er sich.

Der griechische Kapitän will die havarierte "Prestige" in einen Hafen schleppen und auspumpen lassen. Doch die spanischen Behörden verweigern den Zugang – zum Schutz der Küsten. Auch Portugal winkt ab. Schließlich lassen die Beamten den Tanker an den Haken nehmen und in stürmischem Herbstwetter weiter nach draußen auf die hohe See schleppen. "Das war - wie sich im Nachhinein herausgestellt hat - die falsche Entscheidung", sagt Jörn Ehlers vom WWF. Was folgt, ist eine der größten Umweltkatastrophen in der europäischen Seefahrt.

Riesiger Ölteppich erreicht die Küste Galiciens

Sechs Tage nach der Havarie bricht die "Prestige" am 19. November 2002 vor der galicischen Küste auseinander. Die verbleibende Mannschaft konnte vorher geborgen werden. Rund 300 Kilometer vor der Küste sinkt das Schiff auf 3.500 Meter Meerestiefe, in den Tanks lagert das Schweröl. Am 1. Dezember 2002 erreicht der erste riesige Ölteppich die Küste Galiciens. In den nächsten Wochen und Monaten werden Strände und Felsen auf rund 3.000 Kilometern Küstenabschnitt mit schmierigem Schweröl überzogen, vor allem im spanischen Galicien, aber auch in Portugal und in Frankreich.

Freiwillige kratzen Teerklumpen mit Händen vom Felsen

Tausende Freiwillige helfen bei den Aufräumarbeiten, sind aber nicht vernünftig ausgerüstet. Zum Teil kratzen die Freiwilligen die Teerklumpen mit bloßen Händen von den Felsen. Die Behörden vor Ort sind hilflos und Ministerpräsident José María Aznar weigert sich wochenlang, das Katastrophengebiet zu besuchen. 250.000 Seevögel verenden, weil Öl ihr Gefieder verklebt. Viele Familien sind vom Ruin bedroht. Im rauen Nordwesten Spaniens leben sie vom Fischfang und vom Sammeln der berühmten Entenmuscheln. Galicien ist die drittärmste Region Spaniens. Es dauert drei Wochen, bis die ersten Familien Unterstützung bekommen. In den ersten Monaten nach dem Unglück erhalten die "Marineros", die Fischer, unbürokratische Hilfe, denn der Fischfang ist eine Zeit lang verboten. Allein im Jahr nach dem Unglück zahlt die spanische Regierung 2,6 Milliarden Euro als Entschädigung an die Fischer und für die Reinigung der Strände. Protestbewegungen wie "Nunca Máis – Niemals wieder" fordern die verantwortlichen Politiker umsonst zum Rücktritt auf.

Prozess gegen Besatzungsmitglieder beginnt

Tiefseeroboter flicken einige Lecks der "Prestige" und pumpen Teile des Öls ab. Dennoch bilden sich im November 2006 an der Unglücksstelle wieder Ölteppiche. Die spanische Regierung bestätigt, es stamme aus dem Wrack, das bis heute auf dem Meeresgrund liegt. Am 16. Oktober 2012 hat in der galicischen Hauptstadt La Coruña der Prozess gegen einen Vertreter der spanischen Hafenbehörde und drei Besatzungsmitglieder der "Prestige" begonnen, unter anderem den Kapitän des Tankers. Das Verfahren soll bis Mai 2013 dauern.

Stand: 13.11.2012

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