USA: Erste Verurteilung eines Verbrechers aufgrund eines genetischen Fingerabdrucks

Stichtag

6. November 1987 - Genetischer Fingerabdruck überführt Täter

Im November 1983 und Juli 1986 werden in der britischen Grafschaft Leicestershire zwei Mädchen ermordet. Die Polizei hat einen Geständigen, doch nur für eine Tat. Sie weiß nicht weiter und bittet Alec Jeffreys, Biochemiker an der Universität Leicester, um Hilfe. Erst vor Kurzem hat er den genetischen Fingerabdruck entdeckt und seine Erkenntnisse 1985 im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlicht. Er fand heraus, dass man dieselben genetischen Merkmale aus allen Geweben und Körperflüssigkeiten herauslesen kann, zum Beispiel in Blut, Spucke und Sperma. "Die DNA ist die menschliche Erbsubstanz, ein langkettiges Molekül, das sehr komplex aufgebaut ist, aber nur aus vier Buchstaben besteht. Die Abfolge dieser Buchstaben legt die Erbinformation fest, die im Kern jeder Körperzelle enthalten ist", erklärt Peter Schneider, Professor für Rechtsmedizin an der Universität Köln.

Erste DNA-Spur entlastet geständigen Täter

Alec Jeffreys glaubt zunächst nicht an seine Entdeckung. "Mein Gefühl war damals, dass es Jahre brauchen würde, bis jemand davon Notiz nähme und dass es eine Technologie ist, die man benutzt, wenn alle Stricke reißen. Falscher hätte ich nicht liegen können", erinnert er sich später.

Auf der Kleidung der beiden Opfer finden die Ermittler Spuren von Sperma. Schon 1986 kann Jeffrey anhand seiner Methode zwei Dinge beweisen: Ein Täter hat beide Taten in Leicestershire begangen und der Beschuldigte war es nicht. Der erste genetische Fingerabdruck, der bei der Verbrechensermittlung gemacht wird, entlastet einen geständigen Täter. Das sei eine ganz typische Eigenschaft der DNA-Analysen, die häufig in der Öffentlichkeit übersehen werde, erklärt Peter Schneider von der Universität Köln. "Mit der DNA-Analyse wurden viel mehr Menschen als Spurenleger ausgeschlossen, als hinterher als Täter überführt wurden." Beispielsweise in den USA kamen mehr als 100 unschuldig zum Tode Verurteilte aufgrund einer DNA-Analyse frei.

Richtiger Täter gesteht nach DNA-Massenscreening

Die Polizei, die nun ohne Täter dasteht, ruft zu einem Massenscreening im Leicestershire auf. "DNA Hunt", DNA-Jagd, titeln die englischen Zeitungen. Im September 1987 wird der Täter Colin Pitchwork verhaftet und gesteht sofort. Zuvor hatte er versucht die Polizei zu täuschen und einen Freund mit seinem Ausweis beim Screening vorbeigeschickt, doch das Manöver war bald aufgeflogen. "Von diesem Fall an breitete sich die DNA-Analyse innerhalb von eineinhalb Jahren über alle großen Länder der Welt aus. Wie ein Lauffeuer", so Alec Jeffreys.

Bis zur ersten Verurteilung eines Kriminellen mit Hilfe des genetischen Fingerabdrucks vergeht ein weiteres Jahr. Im November 1987 steht Tommy Lee Andrews in Orlando, Florida in einem besonders schweren Fall von Raub und Vergewaltigung. Das Opfer hat ihn identifiziert, er leugnet. Blut und Spermaspuren vom Tatort sind allerdings eindeutig Andrews zuzuordnen - anhand seines genetischen Fingerabdrucks wird er überführt. Vorerst: Denn die Zuverlässigkeit und Zulässigkeit der neuen Technik wird angezweifelt. Ein anderes Gericht erkennt den Beweis nicht an, ein drittes lässt ihn wieder zu.

Letztendlich wird der US-Amerikaner Tommy Lee Andrews zu 22 Jahren Haft verurteilt. Ein neuer DNA-Vergleich mit verfeinerten Methoden bestätigt 16 Jahre nach dem ersten Prozess die Eindeutigkeit seines genetischen Fingerabdrucks.

Ein Fingerhut voll Blut muss es sein

Auch in Deutschland muss sich der genetische Fingerabdruck erst noch beweisen. In den frühen 80er-Jahren braucht es noch einen halben Fingerhut voll Blut oder einen Blutfleck vergleichbarer Größe, um zu sicheren Ergebnissen zu kommen. "Und es war häufig auch so, dass wir sagen mussten: Leute, es tut uns leid, es war nicht genügend DNA in der Spur, wir können Euch kein Ergebnis mitteilen", erinnert sich Peter Schneider von der Universität Köln. Heute kommen die Ermittler mit einem Blutfleck von einem Millimeter Durchmesser und weniger aus.

Stand: 06.11.2012

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