Besucher vor Affen-Menagerie in Schönbrunn (Ende 19. Jhdt, Farbfoto)

Stichtag

31. Juli 1752 - Der Tiergarten Schönbrunn entsteht

Für Krieg und Diplomatie hat Franz I. Stephan gar kein Talent, umso mehr aber fürs Finanzelle. Geschickt mehrt der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches den Reichtum des Hauses Habsburg und überlässt das Regieren in Wien seiner Frau Maria Theresia von Österreich. In seiner reichlich vorhandenen Freizeit widmet sich Franz Stephan mit Hingabe seiner Münz- und Mineraliensammlung sowie den Naturwissenschaften. 1751 erteilt er den Auftrag, im Park von Schloss Schönbrunn eine Tier-Menagerie anzulegen.

Nach einem Jahr kann der Kaiser erstmals stolz an den 13 kreisförmig um einen Barockpavillon herum angelegten Gehegen vorbei lustwandeln. Am 31. Juli 1752 notiert der Oberstkämmerer Fürst von Khevenhüller-Metsch in seinem Tagebuch: "Nachmittags führte der Kaiser abermahlen einige Zuseher in die nun meistens schon zustanden gebrachte Menagerie…". Seither gilt dieses Datum als Gründungtag des Tiergartens Schönbrunn, des ältesten noch bestehenden Zoos der Welt.

Österreich im Giraffen-Fieber

Neben Hirschen und Papageien bevölkern Affen, Strauße und Antilopen des Kaisers Zoo. Nur Raubtiere schätzt Franz Stephan nicht, sie stinken Majestät zu sehr. Viele Jahre bleibt die Menagerie allein den Habsburgern und ihren Gästen vorbehalten. Erst 1778, 13 Jahre nach Franz Stephans Tod, öffnet Joseph II. den Tiergarten an Sonntagen für alle Besucher, allerdings nur für "anständig gekleidete Personen". Da Weitgereiste über einen Mangel an Tieren spotten, rüstet der nicht geruchsempfindliche Sohn des Menagerie-Gründers auf. Ein junger Elefant wird angeschafft und noch vor 1800 ziehen Wölfe, Braun- und Eisbären, Hyänen und andere Raubtiere in Schönbrunn ein.

Den sensationellsten Neuzugang erlebt der Tiergarten 1828, als der Vizekönig von Ägypten den Habsburgern eine Giraffe schenkt. Noch bevor der heiß ersehnte Exot in Wien ankommt, bricht in ganz Österreich eine wahre "Kamelopard"-Hysterie aus. Als Gebäck, auf Stoffen, Tellern und Tintenfässern: überall nur Giraffen. Man tanzt den "Giraffengalopp", die Damen tragen ihr Haar hochgetürmt "à la giraffe" und duften - angeblich - nach Giraffe. Als das Tier aus dem Sudan endlich in Schönbrunn eintrifft, stürmen so viele Besucher sein Gehege, dass die Polizei einschreiten muss. Nur zehn Monate später verendet "das hohe Tier" an Oberschenkelbrüchen, betrauert wie ein Popstar.

Vom "Tier-KZ" zu Europas bestem Zoo

Ohne banale Lustbarkeiten wie Ballonfahrten, Gasthäuser, Eis- und Rollschuhlaufen – man ist schließlich ein kaiserlicher Tiergarten – geht Schönbrunn ins 20. Jahrhundert. Der Zoo überlebt den ersten Weltkrieg und auch den zweiten, obwohl er von rund 70 Bomben getroffen wird. Viele Tiere kommen um; die Häuser von Pandas, Nashörnern und das Sumpfvogelhaus werden völlig zerstört, die meisten anderen schwer beschädigt. Trotzdem sind die Wiener glücklich, als ihr Tiergarten nur wenige Wochen nach Kriegsende wieder öffnet und ihnen etwas Ablenkung von Trauer und Trümmern beschert.

In den 1970er Jahren gerät der völlig veraltete Zoo, als "Tier-KZ" verschrien, erneut in eine tiefe Krise. Tierschützer kritisieren die verrosteten, nicht artgerechten Anlagen und organisieren Proteste, die 1987 sogar in einer Besetzung des Zoo-Eingangs gipfeln. 1992 wandelt man den starren Staatsbetrieb in eine GmbH um und leitet unter Wahrung des kaiserlich-barocken Ambientes eine Totalrenovierung ein. Mit Erfolg: 2011 heimst der zusammen mit dem Schloss Schönbrunn als Weltkulturerbe geschützte Wiener Tiergarten zum zweiten Mal nach 2009 den Titel als bester Zoo Europas ein.

Stand: 31.07.2012

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