CDU-Chef Helmut Kohl mit aufgesetzter 3D-Brille (s/w-Foto 1982)

Stichtag

28. Februar 1982 - Die erste 3D-Sendung im deutschen Fernsehen

Brillen aus Pappe mit rot-grünen Sichtfolien sind Anfang 1982 ein riesiger Verkaufsschlager. Ausgelöst hat die enorme Nachfrage, die sogar zu Schlangen vor Optikerläden führt, eine Ankündigung der dritten Fernsehprogramme. Zum ersten Mal soll in der Bundesrepublik eine Sendung dreidimensional über die Bildschirme flimmern.

Etliche Jahre zuvor hatten bereits Fernsehanstalten in Schweden, Mexiko, Italien und den Niederlanden Experimentalsendungen in 3D ausgestrahlt, allerdings ohne nachhaltige Wirkung. 1981 dann veranstalteten die Filmfestspiele Berlin eine viel beachtete "Retrospektive des dreidimensionalen Films". Der Berlinale-Erfolg bringt den NDR-Redakteur Hans-Joachim Herbst auf die Idee, diese visuelle Technik auch im deutschen Fernsehen zu erproben.

"Dat is ein Kokolores"

Herbst sieht die Zeit gekommen, dem Medium nach der Einführung des Farbfernsehens 1967 endlich auch die zukunftsträchtige dritte Dimension zu erobern. In Zusammenarbeit mit dem WDR und dem niederländischen Elektronikkonzern Philips entsteht so die Sendung "Wenn die Bilder plastisch werden", und zwar im so genannten anaglyphen Verfahren. Dabei wird das "linke" Bild über den Rot-Kanal des Farbfernsehens und das "rechte" Bild über den Grün-Kanal gesendet. Die zweifarbige Brille führt dann beide Kanäle zu einem dreidimensional wirkenden Bild zusammen.

Mit den Worten "Ich begrüße Sie zur ersten Raumbildsendung des deutschen Fernsehens" eröffnet Moderator Wilfried Göpfert am 28. Februar 1982 das "populärwissenschaftliche" TV-Experiment. Einspielfilme mit "Klimbim"-Sternchen Ingrid Steeger und Ruhrpott-Kabarettist Jürgen von Manger alias Adolf Tegtmeier sorgen dafür, dass die arg techniklastige Sendung nicht zur staubtrockenen Nachhilfestunde für Elektronik-Fans wird. "Junge, dat is ein Kokolores", kommentiert Herr Tegtmeier das ungewohnte Hantieren mit der unbequemen Pappbrille. Doch Leitern, Bretter und Arme, die an jenem Abend scheinbar aus der Mattscheibe ins Wohnzimmer ragen, reißen auch die deutschen Zuschauer nicht vor Begeisterung aus ihren Fernsehsesseln.

„3D – oh weh“

Zur großen Enttäuschung der stolzen Besitzer von Farbfernsehern können auch sie das mit Spannung erwartete TV-Experiment nicht in gewohnter Farbenpracht erleben – eine technisch unvermeidbare Folge des aus heutiger Sicht steinzeitlichen anaglyphen Verfahrens. Zunächst dauert es einige Zeit, bis der menschliche Sehapparat die im Gehirn eingehenden Bilder überhaupt zu einem Bild mit Raumwirkung zusammenfügt. Ansonsten ist nur ein unscharfer Mischmasch in grau, rot und grün zu erkennen, der bei den meisten Zuschauern nur eines auslöst: Kopfschmerzen.

"3D – oh weh!" urteilen die Zeitungen anderntags über den "groß angelegten Mummenschanz" im Dritten Programm. Da die Produktion der Raum-Sendung zudem hohe Kosten verursacht hat, muss der Initiator Hans-Joachim Herbst seinen Traum begraben, das 3D-Experiment in einer kleinen Programmnische weiterführen zu können. Das deutsche Fernsehen sendet auch weiterhin nur in zwei Dimensionen. Zehn Jahre später landet RTL mit Hugo-Egon Balders Erotik-Spielshow "Tutti Frutti" ebenfalls einen dreidimensionalen Flop. "Keine weiblichen Geschlechtsorgane in greifbarer Nähe", beschwert sich ein enttäuschter Busenfreund bei dem Sender, "nur fliegende Neonfische im Hintergrund."

Stand: 28.02.2012

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