Manfred von Ardenne, Physiker

Stichtag

20. Januar 1907 - Manfred von Ardenne wird geboren

Er hat kein Abitur und keinen Studienabschluss - aber am Ende seines Lebens 600 Patente. Manfred von Ardenne gilt als Technik-Genie. Und sein Können ist in gleich drei Diktaturen hochwillkommen: Ardenne bastelt für Adolf Hitler an Atomwaffen, wird in der Sowjetunion ausgezeichnet und ist eine Art Daniel Düsentrieb der DDR. "Er hat sein Institut immer in den Dienst der Mächtigen gestellt", urteilt der Wirtschaftshistoriker Rainer Karlsch.

Geboren wird Manfred Baron von Ardenne am 20. Januar 1907 in Hamburg als Sohn einer Offiziers- und Beamtenfamilie, die aus Lothringen über Belgien nach Deutschland gekommen war. In der Schule langweilt sich Manfred. Er experimentiert lieber zu Hause, legt Türklinken unter Strom oder verursacht Explosionen in der Rumpelkammer. Mit 16 Jahren verlässt er das Gymnasium - und erhält sein erstes Patent für ein "Verfahren zur Erzielung einer Tonselektion, insbesondere für die Zwecke der drahtlosen Telegraphie". Anfang der 1920er Jahre freundet Ardenne sich mit dem Rundfunkpionier Siegmund Loewe an. Mit der vom jungen Baron entwickelten Dreifachröhre bauen die beiden den ersten preiswerten Rundfunkempfänger. Später leistet er Pionierarbeit bei der Verbesserung der Fernsehtechnik.

Hitler-Bekanntschaft und Stalin-Preis

Dank familiärer Beziehungen darf Ardenne auch ohne Abitur an der Berliner Universität Mathematik, Physik und Chemie studieren. Doch er bricht das Studium nach wenigen Semestern ab und gründet 1928 ein privates Forschungslabor in Berlin-Lichterfelde. Auf der Funkausstellung 1933 stellt ihn Reichspostminister Wilhelm Ohnsorge, ein alter Kriegskamerad seines Vaters, dem neuen Reichkanzler Hitler vor. Ardenne erhält nun Forschungsaufträge vom Reichspostministerium. Er entwickelt die Elektronenmikroskopie weiter und beschäftigt sich im Auftrag der Nazis mit Atomphysik. Später betont Ardenne stets, seine Nuklearforschung im "Dritten Reich" habe ausschließlich der friedlichen Nutzung gedient. In den nicht publizierten Fassungen seiner Memoiren steht laut dem Historiker Karlsch jedoch der tatsächliche Zweck: "Uranbombe".

Bis in die letzten Kriegstage forscht Ardenne 1945 in seinem Berliner Institut. Dann tauchen sowjetische Militärs bei ihm auf und bieten ihm an, nun für die UdSSR zu arbeiten. Ardenne willigt ein und erhält 1953 den hoch dotierten Stalin-Preis für seine Mitarbeit an der ersten sowjetischen Wasserstoffbombe. Nach dem erfolgreichen Test der Bombe werden die deutschen Spezialisten nicht mehr gebraucht. Ardenne kann 1955, nach zehn Jahren, die UdSSR verlassen und nach Deutschland zurückkehren. Er entscheidet sich für die DDR - weil er nur dorthin seine Experimentier-Anlagen und Messgeräte mitnehmen kann.

Vorzeigewissenschaftler der DDR

Ardenne gründet in Dresden ein Forschungsinstitut, das wegen seines privaten Charakters einzigartig ist in der DDR. Der rote Baron, wie er dort genannt wird, ist in der Ära von Walter Ulbricht der Vorzeigewissenschaftler des Regimes. Ardenne wird Abgeordneter der Volkskammer und genießt als Gegenleistung Privilegien wie Reisen nach West-Deutschland. Ab den 1960er Jahren legt er seinen Schwerpunkt auf medizinische Forschung. Seine "Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie" soll vor Überalterung sowie Herz- und Hirninfarkt schützen. Von Schulmedizinern wird die Methode nicht anerkannt - ebenso wenig wie seine "Krebs-Mehrschritt-Therapie", die durch eine Kombination aus Überwärmung, Sauerstoffanreicherung und Überzuckerung des Blutes Tumorzellen zerstören soll.

Das Ende der DDR bedeutet für Ardenne einen harten Einschnitt. Da die staatlichen Aufträge wegfallen, steht er bald mit einem Schuldenberg da. Doch noch einmal passt er sich einem neuen politischen System an. Er verkauft Gründstücke und entlässt Personal. Manfred von Ardenne stirbt am 26. Mai 1997 im Alter von 90 Jahren in Dresden. Nach seinem Tod wird sein Institut in drei Nachfolge-Einrichtungen aufgeteilt, die sich vor allem der Solartechnik, der Anlagentechnik und der Weiterentwicklung seiner Krebs-Therapie widmen.

Stand: 20.01.2012

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