Milton Friedman, Ökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger

Stichtag

16. November 2006 - Milton Friedman stirbt in San Francisco

Er ist der erste Ökonom mit einer eigenen Fernsehserie. In zehn Folgen erklärt Milton Friedman 1980 den Amerikanern die Welt der Wirtschaft - so wie er sie sieht: Der freie Markt ist Voraussetzung für politische Freiheit und bringt allen das Beste. Staatseingriffe sind für Friedman dagegen grundsätzlich negativ: "Überträgt man dem Staat die Zuständigkeiten für die Sahara, wird in fünf Jahren der Sand knapp!" Mit seinem Credo aus Liberalisierung, Deregulierung, Privatisierung und Freihandel wird der Wirtschaftswissenschaftler bald weltweit zum wichtigsten Repräsentanten des Neoliberalismus.

Zwischen Friedmans Ansichten und seiner Biografie gibt es durchaus Verbindungen: Geboren wird er am 31. Juli 1912 in Brooklyn im US-Bundesstaat New York. Damals ist der Kapitalismus unreguliert - mit großen Unterschieden zwischen Arm und Reich, aber auch großen Aufstiegsmöglichkeiten. Seine Eltern sind mittellose jüdische Einwanderer aus Osteuropa und legen sich krumm für die Ausbildung der Kinder. Der hochbegabte Milton kann deshalb schon mit 16 Jahren Mathematik und später Wirtschaft studieren.

Gegenspieler von Keynes

Kurz darauf lässt die Weltwirtschaftskrise 1929 nicht nur die Banken und Konzerne zusammenbrechen, sondern auch die klassische liberale Wirtschaftslehre vom freien Spiel der Kräfte. Es ist die Stunde des britischen Ökonomen John Maynard Keynes. Seine Erkenntnis: Unregulierte Märkte tendieren zur Instabilität, irrationales Verhalten von Spekulanten verstärkt Krisen zu Katastrophen. Den Ausweg sieht Keynes in mehr staatlichen Regeln und Konjunkturprogrammen. Mit dem "New Deal" von US-Präsident Franklin D. Roosevelt wird der Keynesianismus in den 1930er Jahren Regierungspolitik - und beschert daraufhin den Industrieländern über 30 Jahre lang Stabilität und Wachstum.

Friedman lehrt inzwischen ab 1946 Volkswirtschaft an der Universität von Chicago, einer Hochburg der Wirtschaftsliberalen. Er untersucht die Schwachstellen der keynesianischen Wirtschaftssteuerung und wird bei der sogenannten Phillipskurve fündig. Sie besagt: Je höher die Inflationsrate ist, desto niedriger ist die Arbeitslosenquote. Doch dieser Effekt bleibt langfristig aus. Die sogenannte Stagflation der 1970er Jahre gibt Friedman recht: Plötzlich gibt es gleichzeitig hohe Inflation und hohe Arbeitslosigkeit. Nun ruft Friedman die "neoliberale Konterrevolution" aus. Seine Lehre, der Monetarismus, besagt, dass Krisen nicht durch instabile Märkte entstehen - sondern, dann, wenn die Zentralbanken zu viel oder zu wenig Geld in Umlauf bringen.

Pinochet, Thatcher, Reagan

Erstmals umgesetzt werden neoliberale Konzepte in Chile, wo General Augusto Pinochet 1973 geputscht und sich als Diktator installiert hat. Friedman-Schüler, die sogenannten Chicago-Boys, kürzen dort die Staatsausgaben, privatisieren Bildung, Gesundheit und Renten, entmachten die Gewerkschaften und öffnen das Land für ausländische Konzerne. Das Ergebnis: Wenige profitieren, die Mehrheit jedoch verarmt. Als Friedman - der die Junta berät, aber zu Menschrechtsverletzungen schweigt - 1976 den Wirtschaftsnobelpreis erhält, hagelt es Proteste. Über die Kritiker sagt er: "Ich bewundere sie für ihre weichen Herzen! Aber leider dehnt sich die Weichheit oft auch auf ihre Köpfe aus."

Drei Jahre später macht Margaret Thatcher in Großbritannien den Neoliberalismus erstmals in einem Industrieland zum Regierungsprogramm. Unter US-Präsident Ronald Reagan folgen auch die USA. Bald dominiert Friedmans Lehre die Weltpolitik - auch wenn die negativen Folgen mittlerweile immer deutlicher werden. "In den USA beziehen wieder zwölf Millionen Familien Lebensmittelmarken, und weltweit ist die Zahl der hungernden Menschen von 820 Millionen auf eine Milliarde Menschen geradezu explodiert", sagt Christian Felber, Attac-Mitbegründer und Wirtschaftsdozent in Wien. Während die Theorie von Friedman, der am 16. November 2006 in San Francisco im Alter von 94 Jahren stirbt, davon ausgeht, dass alle vom freien Spiel der Kräfte profitieren, verlieren tatsächlich die Schwachen. Denn die Erfolgreichen - Konzerne, Banken und Vermögende - sorgen mit intensiver Lobbyarbeit für Spielregeln zu ihren Gunsten. Deshalb ist für Felber "der Kapitalismus in seinem fortgeschrittenen Stadium die größte Gefahr für die Demokratie geworden".

Stand: 16.11.2011

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