Chung Won Shik (re.) und sein nordkoreanischer Amtskollege Yon Hyong Muk (l) Hand in Hand nach der Unterzeichnung

Stichtag

24. Oktober 1991 - Versöhnungsabkommen zwischen Nord- und Südkorea

Hoffnung bestimmt seit Jahrzehnten das Leben von Nord- und Südkoreanern. Hoffnung auf die einigende Kraft ihres 4.000 Jahre alten Gründungsmythos eines gemeinsamen Himmlischen Reiches. Seit 1953 sind Norden und Süden als Folge des Zweiten Weltkriegs und des Koreakriegs durch eine waffenstarrende Grenze voneinander abgeschottet. Misstrauen und ideologische Unterschiede zwischen den verfeindeten Bruderstaaten scheinen kaum überwindbar zu sein.

1972 bewegen sich der US-dominierte, kapitalistische Süden und die von UdSSR und China gestützten Kommunisten im Norden erstmals aufeinander zu. Eine gemeinsame Erklärung zur Wiedervereinigung verschwindet aber bald wieder von der Tagesordnung. Erst der Fall der Sowjetunion und der Berliner Mauer leiten auch in Korea ein erneutes Tauwetter ein. Im September 1990 treffen sich Regierungsvertreter beider Staaten zum ersten Mal nach 45 Jahren zu offiziellen Gesprächen, die ein Jahr später zum Erfolg führen.

Nordkoreas Atomprogramm stört den Frieden

Am 24. Oktober 1991 einigen sich die Delegationen auf ein Abkommen über "Aussöhnung, Nichtangriff sowie Austausch und Zusammenarbeit". In einer feierlichen Zeremonie unterzeichnen der nordkoreanische Premierminister Yon Hyong Muk und sein Amtskollege Chung Won Shik zwei Monate darauf in Seoul das Abkommen. Es legt unter anderem Garantien für die Verhinderung von Kampfhandlungen sowie das Ende der gegenseitigen Unterwanderung fest. Ein Friedensvertrag soll möglichst bald das seit 1953 gültige Waffenstillstandsabkommen ersetzen.

Die strittige Frage der Inspektion von Atomanlagen bleibt aber ausgeklammert. Als bekannt wird, dass Nordkorea ein waffenfähiges Plutoniumprogramm verfolgt, gerät der Annäherungsprozess ins Stocken. Wie alle Welt rätselt auch Südkorea über die Absichten von Diktator Kim Jong Il, der 1994 im Norden die Nachfolge seines Vaters Kim Il Sung antritt. Erst der Demokrat Kim Dae Jung, der im Februar 1998 zum Präsidenten Südkoreas gewählt wird, nimmt die praktische Umsetzung des Grundlagenabkommens von 1991 in Angriff.

Rückkehr der Eiszeit

Nach der von der deutschen Ostpolitik inspirierten Devise "Wandel durch Handel" investiert Seoul in gemeinsame Wirtschaftsprojekte in Nordkorea. Erstmals dürfen Südkoreaner die hermetisch abgeriegelte Grenze am 38. Breitengrad passieren, um am Japanischen Meer Urlaub zu machen. Das Tourismusprojekt, für den Norden eine wichtige Devisenquelle, wird zum Symbol der Wiedervereinigung und ermöglicht den nächsten historischen Fortschritt. Am 13. Juni 2000 fliegt Kim Dae Jung nach Pjöngyang zum Gipfeltreffen mit Nordkoreas Diktator. Als dann bei den Olympischen Spielen in Sydney die Sportler beider Staaten gemeinsam einmarschieren, scheint die Wiedervereinigung zum Greifen nahe.

Kim Dae Jung erhält für seine "Sonnenschein-Politik" den Friedensnobelpreis; Nordkoreas Kim Jong Il geht leer aus. In den folgenden Jahren bremsen Kim Jong Ils atomare Drohgebärden und George W. Bushs Einordnung von Nordkorea auf der "Achse des Bösen" die Einigung erneut aus. Daran ändert auch eine Reise des südkoreanischen Präsidenten Roh Moo Hyun nach Pjöngyang im Oktober 2007 nichts. Vier Monate später macht sein stramm konservativer Nachfolger Lee Myung Bak den weiteren Friedenskurs von einseitigen Vorleistungen Nordkoreas abhängig. Der Eiserne Vorhang zwischen den koreanischen Nachbarn schließt sich wieder – und die Menschen in Nord und Süd können weiter nur hoffen.

Stand: 24.10.2011

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