Der Sänger und Dichter Willi Ostermann

Stichtag

6. August 1936 - Willi Ostermann stirbt in Köln

"Er war ja weder ein schöner Mann, noch hatte er eine tolle Stimme", sagt Brauchtumsforscher Reinhold Louis über den Kölner Dichter und Sänger Willi Ostermann. "Trotzdem hat diese Stimme die Menschen irgendwie in ihren Bann gezogen." Michael Euler-Schmidt, stellvertretender Direktor des Kölnischen Stadtmuseums, ergänzt: "Er ist der erste musikalische Gott in Köln zu Beginn des 20. Jahrhunderts gewesen."

Dabei ist Ostermann gar kein Ur-Kölner: Seine Familie stammt aus Plettenberg im Sauerland, und geboren wird er am 1. Oktober 1876 in Mülheim auf der rechten Rheinseite, das damals noch kein Kölner Stadtteil ist. Sein Vater arbeitet bei der Bergisch-Märkischen Eisenbahn und hat für seinen Sohn eine Schlosserlehre vorgesehen. Doch Willi, der "jlöhnije Fuss" ("glühender Rothaariger") genannt wird, landet nach der Volksschule zunächst in einer Druckerei. Nach seiner Lehre als Druckplatten-Hersteller zieht es ihn zur Bühne.

Furore im Karneval

1899 entsteht Ostermann erstes Lied vom "Düxer Schötzefess", das auf eben diesem Deutzer Schützenfest ein großer Erfolg wird. Die Rückbesinnung auf die Geborgenheit im Viertel kommt beim Publikum gut an. Köln entwickelt sich damals gerade zur Großstadt, was den bisher gewohnten, überschaubaren Rahmen sprengt. Ostermann gibt den Kölnern mit seinen Liedern, die das Leben vor 1900 schildern, etwas vom verloren gegangenen Gemeinschaftsgefühl zurück.

Furore macht Ostermann 1907 beim Kölner Rosenmontagszug mit dem Lied "Dem Schmitz sing Frau es durchjebrannt". Den Durchbruch schafft er ein Jahr später: Er gewinnt beim sogenannten Blumenspiel den Preis für das beste Lied in kölscher Mundart. Von da an bringt er immer wieder neuen Texte und Melodien heraus - obwohl er Noten weder lesen noch schreiben kann. Ostermann singt die Lieder seinem Schwager, Kapellmeister und Komponisten Emil Palm vor, der sie notiert. Die Texte sind einfach, der Refrain ist schon nach zwei Mal Hören mitsingbar. Die Lieder erzählen immer von dem, was im Alltag passiert - zum Beispiel von der "Mösch en der Köch", dem Spatz, der durch das offene Fenster in die Küche geflogen ist.

Pferdewetten und Schaumwein

Da Ostermann immer wieder auf der Pferderennbahn wettet und dabei viel Geld verliert, muss er sich eine zusätzliche Einnahmequelle erschließen. Er beginnt, auch hochdeutsch zu singen. Damit gelingt es ihm, international bekannt zu werden. Was auch daran liegt, dass seine Lieder mittlerweile auf Schallplatten gepresst werden. Als Willi und seine Frau Käthe im Januar 1936 ihre silberne Hochzeit feiern, ist der Neumarkt vor ihrem Haus voll von Menschen. Die Kölner bringen Ostermanns ein Ständchen. Doch dann holt den "musikalischen Gott" sein Menschsein ein: Bei einem Auftritt in Bad Neuenahr bricht Ostermann im Alter von 59 Jahren zusammen. Er wird nach Köln in ein Krankenhaus gebracht. In den Biographien über ihn steht, dass er sich einer Magenoperation unterziehen muss. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, er habe aufgrund seines Alkoholkonsums an einer Leberzirrhose gelitten.

Mehrere Wochen liegt er im Krankenhaus, wo er sein letztes Lied schreibt: "Heimweh noh Kölle". Die Nazis werden es im Zweiten Weltkrieg wegen "Wehrkraftzersetzung" verbieten. Ostermann selbst singt es nicht mehr auf der Bühne. Er stirbt am 6. August 1936. Seine Frau Käte erzählt, ihr Mann habe vor seinem Tod noch ein letztes Glas Schaumwein verlangt. Da das Glas aber nicht voll gewesen sei, habe er gefragt, ob das nicht etwas wenig für den Weg in die Ewigkeit sei. "Dann warf er das Glas an die Wand", so Käthe Ostermann. "Das war das Letzte, was er gesagt hat."

Stand: 06.08.2011

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