Stichtag

17. August 2010 - Vor 65 Jahren: "Animal Farm" von George Orwell erscheint

Die Tiere auf der Manor Farm lauschen verzweifelt. "Nun, Genossen, wie ist die Natur dieses unseres Lebens? Seht, seien wir ehrlich, unser Leben ist elend, mühevoll und kurz", erklärt das Schwein Old Major in der Fabel "Animal Farm – Farm der Tiere". Sie zetteln eine Revolution an und verjagen die Menschen. Sieben Gebote sollen nun das Zusammenleben regeln, von erstens "Alles, was auf zwei Beinen geht, ist ein Feind" bis siebtens: "Alle Tiere sind gleich".
Zunächst sind die Tiere "so glücklich, wie sie es nie für möglich gehalten hätten". Doch dann behalten die Schweine Milch und Äpfel für sich mit der Begründung: "Wir Schweine sind Kopfarbeiter. Die ganze Leitung und Organisation dieser Farm hängt von uns ab." Den Schafen, Hühnern und anderen Tieren überlegen, reißen die Schweine unter der Führung des Ebers Napoleon die Macht an sich. Am Ende wüten die Schweine schlimmer als die Menschen zuvor. Nacheinander bröckeln die Gebote bis nur noch eines übrig bleibt: "Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher."

Satire auf die russische Revolution

Der Autor und Journalist George Orwell bezeichnete seine Fabel "Animal Farm" stets als Satire auf die russische Revolution von 1917. Wie die Schweine auf der Manor Farm verriet Josef Stalin das anfängliche Ideal der Gleichheit und errichtete eine Diktatur. Obwohl Orwell Sozialist war und sogar auf Seiten der Kommunisten im Spanischen Bürgerkrieg kämpfte, schrieb er im Nachwort, "dass das existierende russische Regime größtenteils ein Übel ist." Damit bezog er sich auf die im Westen bekannten Hinrichtungen politischer Gegner während der stalinistischen Säuberungen und die dramatische Hungersnot in der Ukraine. Einige Tiere in der Fabel sind als direkte Allegorien der historischen Schlüsselfiguren zu lesen: Das Schwein Napoleon verkörpert Josef Stalin, sein intellektueller Gegenspieler, das Schwein Snowball, Leo Trotzki.

Verleger lehnen Manuskript ab

Die britischen Verleger reagieren verhalten auf das Manuskript, das Orwell 1943 fertig stellte. Denn Großbritannien ist während des Zweiten Weltkrieges mit Russland verbündet. Vier Verleger lehnen das Buch aus politischen Gründen ab, einer schreibt etwa: "Wäre die Fabel an die Adresse von Diktatoren und Diktaturen ganz allgemein gerichtet, dann ginge die Veröffentlichung in Ordnung." Da der Bezug zu Stalin und Trotzki jedoch offensichtlich sei, bezeichnet er "die Veröffentlichung des Buches zum gegenwärtigen Zeitpunkt als etwas höchst Unbesonnenes".

"Animal Farm" wird ein Bestseller

Erst nach Kriegsende, am 17. August 1945, erscheint "Animal Farm" – und macht den 42-jährigen George Orwell schlagartig berühmt. In Großbritannien werden in den ersten fünf Jahren 25.000 Exemplare verkauft, in den USA 590.000 Stück. "Animal Farm" erreicht breite Leserschichten, weil der schmale Band witzig und pointiert geschrieben ist und der beginnende Kalte Krieg den passenden historischen Hintergrund liefert. In Russland wird das Buch verboten. Drei Jahre später erscheint ein weiteres, noch viel erfolgreicheres Buch von Orwell: "1984". Beide Romane werden jahrelang im Kampf gegen den Kommunismus als Propaganda benutzt - eine Fehlinterpretation der Werke, denn Orwell blieb, bei aller Kritik, Zeit seines Lebens Sozialist.

Stand: 17.08.10