Stichtag

04. Juli 2008 - Vor 95 Jahren: PVC wird zum Patent angemeldet

Die Herstellung von Seife ist eine unsaubere Sache. Denn dabei entsteht hochgiftiges Chlorgas, dessen Lagerung Probleme macht. Da hat der junge deutsche Chemiker Fritz Klatte von der Chemischen Fabrik Griesheim die geniale Idee, das Chlorgas durch einen festen Stoff zu binden. Klatte verkoppelt Chlorwasserstoff mit Acetylen zu Vinylchlorid und enthält unter Wärmebehandlung ein weißes Pulver namens Polyvinylchlorid. Unter dem Kürzel PVC beginnt es später seinen Siegeszug rund um die Welt.

Am 4. Juli 1913 reicht Klatte sein "Polymerisation" genanntes Verfahren für PVC im Auftrag seines Arbeitgebers beim Patentamt ein. Die Seifen- und Aluminumherstellung ist revolutioniert. Erst später erkennt man, dass Klattes künstlicher Stoff unter Beigabe von Weichmachern, Füllstoffen und Stabilisatoren vielseitig eingesetzt werden kann. In den dreißiger Jahren wird PVC zum Allround-Hilfsmittel der Industrie. Vor allem im Bausektor, bei Bodenbelägen, Rohren, Fensterprofile und Dachbahnen, kommt es zum Einsatz. PVC, so scheint es, löst als Kunststoff alle nur denkbaren Fertigungsprobleme.

Aber die in PVC gesetzte Hoffnung bleibt ein Traum. 1972 stellen Ärzte bei Chemiearbeitern schwere Gesundheitsschäden fest. Es kommt heraus, dass bereits früher Arbeiter gestorben sind, die vor allem in der PVC -Produktion tätig waren. Weitere Untersuchungen bestätigen, dass das PVC-Vorprodukt Vinylchlorid krebserregend ist. Die Grenzwerte für Vinylchlorid am Arbeitsplatz werden in den Jahren danach drastisch gesenkt. Umweltverbände warnen noch heute vor Weichmachern in PVC-Produkten. Die Kunststoff-Industrie reagiert im Gegenzug mit einer freiwilligen Selbstverpflichtung zum Verzicht auf bestimmte Zusatzstoffe und zur Förderung des PVC-Recyclings. Trotz aller Kritik ist PVC bis heute im Einsatz. Manfred Braasch vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fordert, die Produktion ganz einzustellen. "Es gibt mittlerweile hinreichend Alternativen", betont Braasch: "Kunststoffe, die das problematische Chlor nicht enthalten".

Stand: 04.07.08