Stichtag

02. November 2007 - Vor 25 Jahren: Prozessbeginn gegen Marianne Bachmeier

6. März 1981, Lübecker Landgericht: Eine Frau betritt den Großen Saal, greift in die Tasche ihrer Bundeswehrhose, richtet eine Waffe auf den Rücken des Angeklagten und feuert ein ganzes Magazin leer. Sechs von acht Schüssen treffen. Marianne Bachmeier erschießt Klaus Grabowski, den mutmaßlichen Mörder ihrer siebenjährigen Tochter Anna. Der gelernte Schlachter ist 19 Mal vorbestraft und wegen pädophiler Neigungen in die Psychiatrie eingewiesen worden. "Ich kann mir vorstellen, dass ich nicht hätte schießen können, wenn sich dieser Mensch umgedreht und gesagt hätte, ich bitte Sie um Verzeihung", sagt Bachmeier später.

Sie habe die Tat nicht geplant, sondern im Affekt gehandelt, behauptet Marianne Bachmeier nach ihrer Verhaftung. Die Waffe trage sie, weil sie sich damit sicherer fühle. Staatsanwalt Michael Gottschewski hat Zweifel: "Das kann man nur, wenn man geübt hat." Bachmeier wird schlagartig bekannt. Dem "Stern" verkauft sie ihre Lebensgeschichte. Rund 250.000 Mark soll sie dafür bekommen haben, dass Autor Heiko Gebhardt sie einmal wöchentlich im Frauengefängnis in Lübeck besuchen darf. Ihre Enthüllungen zeigen eine Frau, die sich auf der Suche nach Identität und Anerkennung immer wieder in zerstörerische Abhängigkeiten begeben hat. Die Folgen einer zerrütteten Kindheit, heißt es in einem psychiatrischen Gutachten: Vom Vater misshandelt, von einem Nachbarn missbraucht, mit 16 Jahren das erste Kind, mit 18 Jahren wieder schwanger und kurz vor der Entbindung vergewaltigt. Zwei ihrer drei Kinder gibt Bachmeier zur Adoption frei; mit dem Vater der jüngsten Tochter Anna betreibt sie ein Szenelokal in Lübeck. Anna wird vernachlässigt und bleibt sich selbst überlassen. So auch am 5. Mai 1980: Nachbar Grabowski nimmt sie mit in seine Wohnung und erdrosselt sie dort mit einer Strumpfhose.

Am 2. November 1982 beginnt der Prozess gegen Marianne Bachmeier. Sie ist des Mordes angeklagt. Verurteilt wird sie schließlich wegen Totschlags und unerlaubten Waffenbesitzes zu sechs Jahren Haft. Wegen Suizidgefahr verbringt sie einen Großteil ihrer Strafe in der Psychiatrie, wird nach drei Jahren entlassen und wandert nach Sizilien aus. Zwei Spielfilme werden über ihr Leben gedreht. Im September 1996 kehrt die 46-Jährige schwer krebskrank nach Lübeck zurück und lässt ihr Sterben von einem Kamerateam des NDR filmisch dokumentieren.

Stand: 02.11.07