Stichtag

23. Juni 2006 - Vor 35 Jahren: Einigung über Beitritt Großbritanniens zur EWG

Großbritannien 1971: Die konservative Partei ist mit Premierminister Edward Heath an der Regierung. Rod Stewart steht mit "Maggie Mae" in den Charts ganz oben. Frauen tragen Miniröcke, Männer lange Haare. Englands Mode und Popmusik bestimmen das Lebensgefühl der Jugend weltweit. Aber: Die Stimmung ist schlecht, rund 800.000 Menschen sind arbeitslos. Mehr als eine Million Einwanderer sind aus den ehemaligen Kolonien gekommen: Inder, Pakistani, Kenianer haben sich in Großbritannien niedergelassen. Der Lebensstandard ist niedrig. Es herrscht Inflation: Brot, Butter und Obst sind in wenigen Monaten zehn Prozent teurer geworden. Um die Lage zu verbessern, will die Regierung das Land zu einem Mitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) machen. Der gemeinsame Markt soll Großbritannien Vorteile bringen. Noch ist die EWG ein kleiner Club aus sechs Ländern: Frankreich, Italien, Holland, Belgien, Luxemburg und die Bundesrepublik.

Aus Angst vor einem Souveränitäts-Verlust hat die ehemalige Weltmacht Großbritannien zunächst gezögert, Mitglied in der 1957 gegründeten EWG zu werden. In den 60er Jahren bewirbt sich das Land schließlich zwei Mal vergeblich um eine Aufnahme. Frankreichs Präsident Charles de Gaulle sagt zu Edward Heath: "Erst wenn ich tot bin, kommen Sie in die EWG!" Als George Pompidou französischer Präsident wird, reist Premier Heath im Mai 1971 nach Paris in den Elysée-Palast. Nach dem Treffen erklärt Pompidou: "Viele Leute glauben, dass Großbritannien nicht europäisch werden wollte und es der Gemeinschaft nur beitreten werde, um sie zu zerstören (...). Viele glauben, dass Frankreich sich aller Möglichkeiten bedienen werde, um ein neues Veto einzulegen. (...) Sie sehen heute Abend zwei Männer, die vom Gegenteil überzeugt sind."

Ein Streitpunkt zwischen Briten und Franzosen ist die Sprache. Englisch soll Französisch als traditionelle Diplomatensprache nicht ablösen. Heath sichert das zu. Pompidou ist zufrieden. Ein weiteres Problem: In den 70er Jahren ist die EWG das Gebiet der Butterberge und Milchseen. Bauern bekommen Prämien, wenn sie ihre Kühe abschaffen. Die Briten sind es aber gewohnt, ihre Butter aus Neuseeland zu importieren. Am 23. Juni 1971 kommt es zur Einigung: Die Außenminister der EWG entscheiden, wie viel Butter aus Neuseeland importiert werden darf. Das Tor zur EWG ist für Großbritannien weit offen. Viele Briten lehnen einen Beitritt jedoch ab, sie fürchten weiter steigende Preise. Die Labour Party, 1971 in der Opposition, nimmt die Stimmung auf und bekämpft den Beitritt. Das britische Parlament stimmt dennoch zu. Am 1. Januar 1973 wird Großbritannien Mitglied der - wie sie jetzt heißt - Europäischen Gemeinschaft, zusammen mit Dänemark und Irland.

Stand: 23.06.06