Stichtag

28. Oktober 2004 - Vor 85 Jahren: Prohibitions-Gesetz in den USA verabschiedet

Seit den Zeiten des Wilden Westens kämpfen Abstinenzler gegen den Suff in Amerikas Saloons: Vor allem Frauen, die ihre betrunkenen Ehemänner nicht mehr ertragen wollen sowie fromme Evangelikale erreichen in einigen Staaten der USA ein Alkoholverbot. Es gibt "wet states" und "dry states" - bis zum ersten Weltkrieg. Der politisiert das Problem: "Bier ist Deutsch", lautet nun die Gleichung der Alkoholgegner, denn die meisten Brauereien sind in der Hand deutscher Einwanderer. Das Bier ist der deutsche Dolchstoß gegen die amerikanische Heimatfront. Antialkoholismus wird zur patriotischen Pflicht. Deshalb finanzieren jetzt auch Großindustrielle wie John D. Rockefeller die sogenannte "Temperenzbewegung".
Den Sieg erringt sie erst, als die Deutschen schon besiegt sind. Am 28. Oktober 1919 tritt der 18. Verfassungszusatz des Kongresses in Kraft: Das Verbot ("Prohibition") der Herstellung und des Vertriebs von Alkohol. Die ganzen Vereinigten Staaten sollen trocken gelegt werden. Die Bewegung jubelt, hält sie doch den Alkohol für die Wurzel allen sozialen Übels. Deshalb erwartet man von dem Gesetz das Ende von Elend und Kriminalität.

Tatsächlich passiert das Gegenteil: Alkoholschmuggel, illegale Brennereien und illegale Schänken geben der Mafia einen ungeahnten Auftrieb. Die eigens eingerichtete Alkoholpolizei - Prohibition Agency - ist machtlos und korrupt. Verbrecherlegenden wie Al Capone in Chicago beherrschen ganze Städte. Kleine Panscher verkaufen billigen und manchmal giftigen Fusel in dunklen Straßenwinkeln. Die Reichen gehen in die Speakeasies, die Nachtclubs der Mafia. Allein 32.000 gibt es davon in New York, doppelt so viele wie vorher legale Kneipen. Beschaffungskriminalität wird zum Volkssport. Und wer kein Geld hat, rührt zu Hause den Bathtub-Gin an, den Badewannen-Schnaps.
Allmählich setzt sich die Erkenntnis durch, das die Prohibition eine Schnapsidee war. 1933 wird sie aufgehoben - ausgerechnet in dem Jahr, in dem Deutschland wieder eine Gefahr wird. Aber die Amerikaner feiern die Trinkfreiheit durch den Verbrauch von anderthalb Millionen Fässern Bier in den ersten 24 Stunden ohne Prohibition.

Stand: 28.10.04