Stichtag

16. Juli 1836 - Gründung des ersten deutschen Ruderclubs

Über diese spleenigen Briten wird mancher Hamburger spöttisch den Kopf geschüttelt haben. Sportiv gekleidet, in tadelloser Haltung und mit beachtlichem Tempo ziehen die Gentlemen auf der Alster in schmalen Ruderbooten an ihnen vorüber. Es sind junge Kaufleute aus England, die auch in der Hansestadt, fern der Themse, nicht auf ihren gewohnten Lieblingssport verzichten möchten. Einige junge Kaufmänner aus Hamburg aber, allesamt patrizischer Abstammung, sehen die hanseatische Ehre in Gefahr.

Einer von ihnen, Cesar Godeffroy, kennt das Rudern in Sportbooten aus seiner Lehrzeit in England. "Gentlemen! Wir wollen rudern. Natürlich im Sportboot wie die Engländer." Mit diesem Aufruf trommelt der 23-Jährige 1836 zehn ebenso ehrgeizige Freunde zusammen. Am 16. Juli schließen sie sich zu "Der Hamburger Ruderclub" (DHR) zusammen, dem ersten seiner Art in Deutschland.

Sport der feinen Leute

Eine Wettfahrt gegen die Briten ist ihr Ziel, doch gleich der erste Ausflug, in einem englischen Boot, fällt ins Wasser. Es regnet so heftig, dass den ehrgeizigen Sportsmännern die Leinentrikots nach wenigen Schlägen wie nasse Säcke am Leib hängen. Die Herren legen wieder an und feiern lieber ein feuchtfröhliches Gründungsfest. Es dauert noch Jahre, bis die Neulinge den routinierten Konkurrenten von der Insel beim Kräftemessen das Wasser reichen können.

1844 endlich, anlässlich der ersten deutschen Ruderregatta auf der Alster, gelingt den Hamburgern ein überragender Sieg mit zwei Bootslängen Vorsprung. "Wer beschreibt den Jubel? ...Überall werden Tücher geschwenkt! Ein ungeheurer Triumph!" schildert ein Berichterstatter die Zieleinfahrt des DHR-Bootes.

175 Jahre Traditionstreue

Hamburg bleibt lange Zeit die Ruder-Hochburg, aber auch in Frankfurt, Mannheim und Berlin werden bald darauf Vereine gegründet. Elitäre Klubregeln sorgen jedoch überall dafür, dass Handwerker und Arbeiter noch jahrelang strikt vom Wassersport der feinen Leute ausgeschlossen bleiben. Als sie sich schließlich in eigenen Vereinen organisieren, bleiben ihnen Regatten gegen die Ruder-Aristokratie verwehrt.

Mit der rasant wachsenden Beliebtheit des Ruderns fallen die Klassenschranken. Am 18. März 1883 wird im Kölner Gürzenich der Deutsche Ruderverband (DRV) aus der Taufe gehoben - als reine Männergesellschaft. Frauen dürfen erst Anfang der 1930er-Jahre mit dem Segen des DRV an die Riemen. Die Pioniere vom Hamburger Ruderclub allerdings, 1934 zu "Der Hamburger und Germania Ruderclub" (DHuGRC) fusioniert, halten die Tradition in Ehren. Bis heute ist Deutschlands ältester und mitgliederstärkster Ruderverein ein hundertprozentiger Herrenclub.

Stand: 16.07.2011

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