Stichpunkt

09. Oktober 2004 - Vor 40 Jahren: Start der Aktion Sorgenkind

Der Contergan-Skandal gibt den Anstoß: Anfang der 60er Jahre ist Deutschland geschockt, als 20.000 Kinder wegen der Nebenwirkungen eines Schlafmittels behindert zur Welt kommen. Plötzlich ist die beschämend geringe Hilfe für Behinderte und ihre Familien in der Wirtschaftswunder-Republik ein Thema. Hans Mohl, Leiter der ZDF-Gesundheitsredaktion, hat eine ungewöhnliche Idee: Er will mit einer Unterhaltungsshow Geld für die Behindertenhilfe sammeln. So entsteht die "Aktion Sorgenkind", deren Namen Mohl so begründet: "Es sind Sorgenkinder, die nie einen Platz an der Sonne finden. Ein Leben lang werden sie auf der Schattenseite des Lebens bleiben: körperbehindert, schwachsinnig, spastisch gelähmt, blind, taub oder Contergan-geschädigt."Am 9. Oktober 1964 sendet das ZDF ein lustiges Ratespiel um die damals neuen Postleitzahlen. Peter Frankenfeld moderiert "Vergissmeinnicht" - vergessen sollen die Zuschauer weder die vierstelligen Zahlen noch die Sorgenkinder. Die Verbindung fordert auch Kritik heraus. "Im Mittelalter hat man Krüppel und Abnorme in Schaubuden ausgestellt. In diese Rolle ist nun das ZDF mit seiner Aktion Sorgenkind eingetreten", formulierte der Journalist Ernst Klee.

Die Aktion wird ein großer Erfolg. Schon die erste Sendung bringt 500.000 Mark an Spenden ein, welche die Wohlfahrtsverbände in Schulen, Werkstätten und familiäre Unterstützung stecken. Auch die Show wird eine Erfolgsstory - insbesondere als Wim Thoelke ab 1969 mit "Drei mal Neun" und ab 1974 mit "Der große Preis" für die Aktion wirbt.
Anfang der 90er Jahre gerät die Aktion in eine Krise: Im Fernsehen floppen die neuen Shows "Goldmillion" und "Das große Los". Außerdem wollen die "Sorgenkinder" keine mehr sein: Behindertenverbände protestieren gegen den diskriminierenden Titel. Deshalb verkündet ZDF-Intendant Dieter Stolte im März 2000 die Umbenennung: Aus der "Aktion Sorgenkind" wird nun die "Deutsche Behindertenhilfe - Aktion Mensch e.V." Eine begleitende Fernsehshow gibt es nicht mehr. Aber die inzwischen größte Soziallotterie der Welt funktioniert immer noch. Über zwei Milliarden Euro hat sie seit 1964 eingespielt.

Stand: 09.10.04