Ein Kind liest das Handelsblatt

Stichtag

16. Mai 1946 - Das "Handelsblatt" erscheint zum ersten Mal

Im Jahr nach der Kapitulation Nazi-Deutschlands herrscht Aufbruchstimmung: "Es zeigt sich ein wachsendes Bedürfnis aller Kaufleute, eine Unterrichtung über Bedingungen und Notwendigkeiten der wiederaufzubauenden Wirtschaft zu gewinnen", schreibt Journalist Herbert Groß in seinem Antrag an die britischen Militärbehörden. Darin bittet er um die Lizenz für die Herausgabe einer Wirtschaftszeitung. Am 16. Mai 1946 erscheint in Düsseldorf die erste Ausgabe des "Handelsblatts". Groß verliert die Lizenz allerdings schon nach wenigen Monaten. Seine langjährige Mitarbeit bei der Nazi-Zeitschrift "Das Reich" wird bekannt. Zudem fällt der erste Herausgeber der britischen Zensur durch seine Kritik an den alliierten Demontageplänen auf. Neuer Lizenznehmer - und später alleiniger Inhaber der Zeitung - wird Chefredakteur Friedrich Vogel. Er hatte zuvor bei den "Düsseldorfer Nachrichten" zwei Jahrzehnte lang den Wirtschaftsteil geleitet.Wegen des Papiermangels erscheint das "Handelsblatt" zunächst nur einmal pro Woche: acht Seiten, ohne Anzeigen, in einer Auflage von 10.000 Exemplaren. Die Zeitung bekennt sich zur "Völkerversöhnung". Vorgeschrieben wird von der britischen Besatzungsmacht zudem eine "wirtschaftsfriedliche" Linie zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Das Ziel der Redaktion lautet: "Den deutschen Kaufmann wieder zu den Tugenden zu erziehen, die er unter dem Nazismus weitgehend verlor: Das heißt zur geschäftlichen Sauberkeit und Vertragstreue."

Verleger Georg von Holtzbrinck steigt ein

Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard (CDU), der das sogenannte westdeutsche Wirtschaftswunder verkörpert, wird zur Leitfigur des "Handelsblatts". An dessen Bestseller "Wohlstand für alle" schreibt ein Redakteur der Zeitung maßgeblich mit. Die linke Presse bezeichnet das "Handelsblatt" deshalb als "Erhards geistige Vorhut" und als "Brigade Erhard". Ab 1959 erscheint die Zeitung "börsentäglich". Die erste Krise erlebt das "Handelsblatt" 1967, als die Anzeigen zurückgehen. Abgewendet wird sie 1970 durch die Fusion mit dem konkurrierenden "Industriekurier". Das notwendige Geld für die Übernahme kommt vom Verleger Georg von Holtzbrinck, der beim "Handelsblatt"-Verlag eingestiegen ist und später Herausgeber wird. Den Grundstock seines Vermögens hatte Holtzbrinck, der NSDAP-Mitglied war, als Verleger während der Nazizeit erwirtschaftet. Unbeschadet davon bleibt die Grundlinie des "Handelsblatts" weiterhin liberal. Es verfügt nun als Wirtschafts- und Finanzzeitung über eine Monopolstellung. Werden 1970 noch rund 30.000 Exemplare pro Tag verkauft, sind es zwölf Jahre später bereits 80.000 Zeitungen.

Auflagenstärkste Wirtschaftszeitung

Erst im Jahr 2000 gibt es wieder eine gewichtige Konkurrenz: Die "Financial Times" geht mit einer eigenen Deutschland-Ausgabe in die Offensive. Daraufhin modernisiert sich das "Handelsblatt" in mehreren Schüben. Mit über 130.000 Exemplaren ist das "Handelsblatt" die auflagenstärkste Wirtschaftszeitung des Landes, gefolgt von der "Financial Times Deutschland". Die Zielgruppe der beiden sind die sogenannten Entscheider. Trotzdem stehen die Zeichen auf Existenzkampf. Neben der großen Zeitungskrise gilt es auch, die Folgen der Finanzkrise zu überwinden.


Nach Entlassungen und den verschärften Sparmaßnahmen der letzten Jahre scheint sich die Situation mittlerweile zu stabilisieren. Sie bleibt allerdings angespannt: 90 Prozent des Umsatzes werden durch die gedruckte Fassung erwirtschaftet. Die Leser im Internet und über das iPad zahlen für die "Handelsblatt"-Informationen nichts. "Das darf nicht so weiter gehen", sagt der stellvertretende Chefredakteur Hermann-Josef Knipper. "Wir müssen als Zeitung dafür sorgen, dass wir auch im digitalen Bereich endlich Geld verdienen."

Stand: 16.05.2011

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