Stichpunkt

28. September 2010 - Vor 5 Jahren: Erste Fotos von lebendem Riesenkalmar

Das Letzte, was man von dem Pottwal sieht, ist die steil aufragende Schwanzflosse. Dann verschwindet der massige Meeressäuger in der Tiefe des Pazifiks. 900 Meter unter der Oberfläche geht er auf die Jagd, dort, wo in völliger Dunkelheit seine Leib- und Magenspeise lebt: Riesenkalmare. Auch der Japaner Tsunemi Kubodera, Meeresbiologe am Nationalen Wissenschaftsmuseum in Tokio, ist den riesigen Tintenfischen auf der Spur. Wie viele Kollegen weltweit versucht der Forscher seit Jahren, in der Weite des Ozeans ein Exemplar dieser mythenumwobenen Tiefsee-Giganten zu finden und zu fotografieren. Pottwale schließlich führen Kubodera zum Erfolg. Am 28. September 2005 kann der Japaner stolz der Öffentlichkeit die ersten Aufnahmen eines lebenden Riesenkalmars in seiner natürlichen Umgebung präsentieren. Kuboderas gestochen scharfe Fotos von dem fast neun Meter langen Tier gehen als wissenschaftliche Sensation um die Welt.

Pfadfinder zum Architheutis

Jahrhundertelang galten Berichte über riesige Kraken und Tintenfische als Horror-Seemannsgarn. Angeblich sollen die zehnarmigen Monster sogar Schiffe angegriffen und zum Kentern gebracht haben. Hin und wieder wurden tote Exemplare oder Teile von Riesenkalmaren an Stränden angeschwemmt, die größten über 15 Meter lang. 1925 dann entdecken Fischer im Magen eines Pottwals Überreste eines Tintenfisch-Kolosses. Dieser Fund bringt Meeresbiologen auf die Idee, Wale als Pfadfinder zu den Riesenkalmaren, wissenschaftlich "Architheutis", zu benutzen.

Forscher als Tiefsee-Paparazzo

Doch aufwendige Expeditionen mit Unterwasserfahrzeugen oder an Pottwalen befestigten Kameras bleiben allesamt erfolglos. Tsunemi Kubodera greift schließlich zu einer simplen Strategie: Direkt über den Jagdgründen der Pottwale lässt er an einer langen Leine einen Köder und eine Digitalkamera mit Blitzlicht in die Tiefe hinab; alle 30 Sekunden schießt die Kamera automatisch ein Bild. Drei Jahre lang wirft Kubodera als Paparazzo im Dienst der Wissenschaft seine Foto-Angel aus. Dann endlich taucht ein Architheutis vor der Linse auf und schnappt nach dem Köder – mit dramatischen Folgen.Der Riesenkalmar verheddert sich in der Fotofalle. Befreien kann er sich nur, indem er sich einen seiner sechs Meter langen Arme abbeißt. Zusammen mit der Kamera zieht Tsunemi Kubodera den Arm an Deck seines Schiffes. Und bemerkt verblüfft, dass sich der noch funktionstüchtige Tentakel wie beim lebendigen Tier an ihm festsaugt. "Eine sehr spannende Erfahrung", erinnert sich schaudernd der glückliche Fotograf.

Stand: 28.09.10