Stichtag

21. Oktober 2010 - Vor 10 Jahren: Rücktritt von Fußballtrainer Christoph Daum

Per Handschlag wird Christoph Daum im Juli 2000 vom Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Egidius Braun, als neuer Bundestrainer inthronisiert. Ganz Fußball-Deutschland atmet auf. Nach dem blamablen Vorrunden-Aus bei der WM 2000 unter Führung des konzeptionslosen Erich Ribbeck soll endlich der nach allgemeiner Überzeugung beste Trainer Deutschlands die Nationalmannschaft übernehmen. Daum, für den sich damit ein Lebenstraum erfüllt, gilt als Fußball-Versessener und skurriler Motivationskünstler, doch "seine Reputation war unbestritten", wie der Sportreporter Werner Hansch bestätigt. Weil Daum aber noch bei Bundesligist Bayer Leverkusen unter Vertrag steht, soll bis zu seinem Amtsantritt im Sommer 2001 Alt-Star Rudi Völler den Nationalkader leiten.

"Absolut reines Gewissen"

Alles scheint bestens geregelt – bis plötzlich das Privatleben des designierten Bundestrainers zunehmend Schlagzeilen macht. Genüsslich berichtet die Boulevard-Presse von Betrugsvorwürfen bei Immobiliengeschäften, von angeblichen Kontakten zum Rotlicht-Milieu und regelrechten "Schnupforgien" mit Kokain. Daum weist alle Anschuldigungen rigoros zurück. Als aber im September 2000 sein Intim-Feind, Bayern Münchens Manager Uli Hoeneß, öffentlich die Seriosität des bestallten DFB-Cheftrainers in Frage stellt, geht Daum in die Offensive. Auf einer überraschend einberufenen Pressekonferenz erklärt er am 9. Oktober, freiwillig beim Kölner Institut für Rechtsmedizin eine Haar-Analyse beantragt zu haben, um alle Drogenvorwürfe zu entkräften. "Ich tue das, weil ich ein absolut reines Gewissen habe", lautet Daums trotziges Schlusswort.

Selbst gestellte Falle

Merklich beeindruckt rudern alle öffentlichen Ankläger in den folgenden Tagen zurück; DFB-Chef Braun beeilt sich, Daum als künftigen Bundestrainer zu bestätigen. Umso überraschender für alle Beteiligten platzt am 21. Oktober 2000 die Bombe. Die Haar-Analyse beweist: Christoph Daum hat nachweislich Kokain konsumiert! Während ganz Deutschland über Daums Naivität und offenbaren Realitätsverlust angesichts der selbst gestellten Falle spekuliert, tritt der tief gestürzte Erfolgscoach umgehend als Trainer in Leverkusen sowie von seinem DFB-Vertrag zurück und verschwindet kommentarlos nach Florida.Drei Monate später, im Januar 2001, ist Daum plötzlich zurück. Erholt und gut gelaunt gesteht er auf einer erneuten Pressekonferenz "gelegentlichen Kokainkonsum im privaten Bereich" ein. "Die Haar-Analyse…war ein Fehler", verkündet er scherzend  - und ohne erkennbares Schuldbewusstsein. Das Medienecho über den verschnupften Heimkehrer fällt verheerend aus. Trotz eines weitgehenden Freispruchs im folgenden Drogen-Prozess sind Daums Karrierechancen in Deutschland auf nicht absehbare Zeit zerstört. Er weicht in die Türkei und nach Österreich aus, wo er als Club-Trainer insgesamt vier nationale Titel gewinnt. Erst 2006 erlebt Christoph Daum mit der Rückkehr zu seinem früheren Verein 1. FC Köln sein Comeback in der Bundesliga.

Stand: 21.10.10