Stichtag

02. August 2010 - Vor 90 Jahren: Orchesterleiter Werner Müller wird geboren

Während der Fußball-WM erklang sie beinahe täglich, jeder kann sie mitpfeifen: die Titelmelodie der ARD-Sportschau. Geschrieben hat den dynamischen Ohrwurm ein Berliner mit dem Allerweltsnamen Werner Müller – nicht zu verwechseln mit dem früheren Bundeswirtschaftsminister. In der Welt der Tanzmusik genießt der Name noch heute einen hervorragenden Ruf. Ein Könner gleichermaßen als Komponist, Instrumentalist, Arrangeur und Bandleader, sowie mit großer Leidenschaft für Swing und Streicher, hat Werner Müller vier Jahrzehnte lang einen modernen Tanzorchester-Sound geprägt.

Orchesterchef mit 27

Seine Swing-Begeisterung nimmt Müller, Jahrgang 1920, aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft mit. 1947 erhält der ausgebildete Musiker, der bereits als zehnjähriger Solist mit Mozarts Violinkonzerten aufgetreten war, vom RIAS die Chance seines Lebens. RIAS, das ist der Rundfunk im amerikanischen Sektor, ein Propagandasender, so amerikanisch wie die USA selber – und mit der heißesten Musik. Müller spielt gerade Posaune in einem Berliner Jazz-Orchester, als der Sender dem 27-Jährigen die Gründung und Leitung eines eigenen RIAS-Tanzorchesters anvertraut. Fünf Jahre, etliche Tourneen und Schallplatten später sind Werner Müller und sein 36 Mann starkes Orchester eine feste Institution. Wenn Bully Buhlan singt, Helmut Zacharias geigt oder Caterina Valente Platten einspielt, dann tun sie das meist in Begleitung von Werner Müller und seinen Musikern.

Napoleon am Pult

Nach 18 höchst erfolgreichen Jahren, in denen das RIAS-Tanzorchester bis nach Japan und sogar in die US-Hitparaden vordringt, gibt Müller in Berlin den Stab ab. 1966 wechselt er an den Rhein und übernimmt in Köln die Leitung des WDR-Tanzorchesters, dem Vorläufer der WDR Big Band, mit dem er unverzichtbarer Bestandteil unzähliger Fernsehshows und Hörfunk-Konzerte wird. Auch wenn sich der kleingewachsene Orchesterchef gern bei Proben, so heißt es, wie ein Napoleon am Pult aufführt, "wusste man, wen man vor sich hatte", erzählt der Produzent Wolfgang Hirschmann. Denn Müllers Sound, geprägt von satten Bigband-Bläsersätzen und einem weichen Streicherteppich hat internationales Format und gibt die Klangfarbe des ganzen Senders vor.1985 geht Werner Müller beim Westdeutschen Rundfunk in Pension. Im Ruhestand schreibt er Thriller – und erlebt in Japan unter dem Namen Ricardo Santos mit Tango-Platten eine exotische Spätkarriere. Seinen letzten öffentlichen Auftritt hat er 1995 anlässlich seines 75. Geburtstags in Berlin mit der RIAS Bigband. Am 28. Dezember 1998 stirbt Werner Müller in Köln.

Stand: 02.08.10