23. Mai 1960 - Tod des Neonröhren-Erfinders Georges Claude

Stand: 23.05.2010, 00:00 Uhr

In seinen großen Zeiten wird er der "Edison von Frankreich" genannt, heute tragen gerade einmal zehn Sträßchen in der französischen Provinz seinen Namen: Georges Claude, vielseitiger Erfinder und Gründer eines Unternehmens von Weltruf zum einen - unbelehrbarer Antisemit und Hochverräter zum anderen.

Schon der Vater des am 24. September 1870 geborenen Georges ist eine widersprüchliche Persönlichkeit: Obwohl selbst Lehrer, verbietet er seinem Sohn den Schulgang. Bis zu dessen 16. Geburtstag unterrichtet er Georges selbst und nutzt ihn als billige Hilfskraft bei seinen meist nutzlosen Erfindungen.

Georges macht nie ein Examen und schafft es doch, an der Pariser Hochschule für Physik und Chemie aufgenommen zu werden. Mit seinen Erfindungen ebnet er sich später sogar den Weg in die erlauchte Akademie der Wissenschaften - allerdings ohne je von den dort versammelten Koryphäen als gleichrangig anerkannt zu werden.

Reichtum aus flüssiger Luft

Mit überbordender Neugier und einem hervorragenden Geschäftssinn durchforstet Georges Claude Physik und Chemie nach vermarktbaren Ideen. Bereits damals schafft er sich aber durch Großspurigkeit und autoritäres Gehabe etliche Feinde.

Reich macht ihn die Entdeckung eines industriellen Verfahrens zur Verflüssigung und Zerlegung von Luft. Das von Claude 1902 gegründete Unternehmen "Air Liquide" entwickelt sich innerhalb weniger Jahre zum Weltmarktführer für Flüssiggase und zählt bis heute zu den bedeutendsten französischen Industriekonzernen.

Weit über die Grenzen seines Landes hinaus berühmt wird Claude, als er 1910 das Pariser Grand Palais in einem völlig neuartigen Licht erstrahlen lässt: durch die Beleuchtung mit Neonröhren.

Das Edelgas Neon fällt als Abfallprodukt der Luftverflüssigung an. In einer Vakuumröhre eingeschlossen und unter Strom gesetzt, erzeugt es ohne Wärmeentwicklung ein weißes Licht, das weniger Strom verbraucht als die herkömmliche, von Edison entwickelte Glühbirne. Schnell erweist sich Claudes Neonröhre als die ideale Lichtquelle des Industriezeitalters und für Leuchtreklamen.

Verwirrter Nazi-Freund

1940 besetzt die deutsche Wehrmacht Frankreich. Als glühender und zutiefst antidemokratisch gesinnter Verehrer Hitlers, Mussolinis und Francos zieht der über 70-jährige Claude durch Frankreich, um auf eigene Kosten für die Kollaboration mit Nazi-Deutschland zu werben.

1945 wird er deshalb wegen Hochverrats zu lebenslanger Haft verurteilt. Weit mehr trifft ihn aber die Aberkennung des Ordens der Ehrenlegion und der Ausschluss aus der Akademie der Wissenschaften.

Bereits nach vier Jahren setzt ein Gericht den inzwischen fast völlig tauben Greis wieder auf freien Fuß. Der französische Staatsgerichtshof hat sich von seinem verwirrten Geisteszustand überzeugt.

Noch zehn Jahre lebt Georges Claude zurückgezogen, verachtet und vergessen in seiner Villa in Saint-Claud bei Paris. Dort stirbt er am 23. Mai 1960. Bis in die Gegenwart gilt der Erfinder der Neonröhre in seiner Heimat als "persona non grata", seine Lebensgeschichte als Tabu-Thema.