Stichtag

4. März 2010 - Vor 10 Jahren: "Terre des Hommes"-Gründer Kaiser stirbt

Am liebsten reist Edmond Kaiser mit einem kleinen Stab von Ärzten in die ärmsten Länder der Welt. In entlegenen Dörfern im Niger, in Indien oder Vietnam sucht er Patienten: die verkrüppelten, die kranken, die schwachen Kinder. Er lässt sie heilen, fliegt sie zu Operationen nach Europa aus, lässt sie mit den notwendigen medizinischen Apparaten sowie mit Rollstühlen ausstatten, bevor sie zu ihren Familien zurückkehren. 

Auch nachdem der Franzose Kaiser längst das Hilfswerk "Terre des Hommes" gegründet hat, stellt er sich Wohltätigkeit eigentlich so vor: unmittelbar, ohne Bürokratie, ohne Profitstreben und ohne religiösen Hintergrund. Kaiser ist ein unbequemer Mann. Er wettert nicht nur gegen Reiche, sondern er kritisiert auch die Kirchen, andere Hilfswerke, Regierungen und die Industrienationen überhaupt. 

Dreimal in seinem Leben tritt er in mehrwöchigen Hungerstreik, um gegen Waffenhandel und für eine humanere Flüchtlingspolitik zu demonstrieren. Journalisten zeigt er bei Interviews Fotos, die für sich sprechen: von verhungerten Kindern, von zerschossenen Kindern, von Kindern, deren Gesicht von Napalm entstellt wurde. "Ich mache, was getan werden muss. Ich habe keine andere Wahl", sagt er über sein Leben und seine Arbeit, die stets eine Einheit bilden.

Edmond Kaiser wird am 2. Januar 1914 in Paris geboren und wächst in einem Armenviertel auf. Als Kind beobachtet er in seinem Umfeld Obdachlose, Prostituierte, Betrunkene und blinde Kinder. Mit 14 Jahren verlässt er die Schule, einen Beruf erlernt er nie. Dafür entwickelt er früh ein ausgeprägtes Helfersyndrom: Als Jugendlicher gründet er  den "Verband gegen Verbrechen und Selbstmord" und einige Jahre später die "Weißen Krawatten", eine Organisation, die sich geisteskranker Menschen annimmt.

1947 siedelt er in die Schweiz über und gründet dort 1959 schließlich "Terre des Hommes" - übersetzt "Erde der Menschen". Auslöser war eine Reportage über das Leid der Kinder im Algerienkrieg der Franzosen. Noch im selben Jahr bringt Kaiser zahlreiche algerische Kinder in die Schweiz in Sicherheit. "Terre des Hommes" vermittelt anfangs vor allem Kinder aus Krisengebieten zur Adoption oder ermöglicht Schwerkranken Operationen.

Kaiser, der unverheiratet blieb, aber nach eigenen Angaben einen leiblichen Sohn verloren hat, adoptiert einen afrikanischen Jungen, der keine Hände mehr hat.

Ab 1979 zieht sich Kaiser erst aus der internationalen Verbandsarbeit, dann auch aus der Zentrale in der Schweiz zurück - nicht weil er weniger arbeiten will, sondern weil die Arbeit ihm zu weit weg ist von den tatsächlichen Problemen. Stattdessen gründet er wieder ein eigenes Hilfswerk: "Sentinelles", französisch für Schildwachen, befasst sich mit Tabuthemen wie Kinderprostitution, Beschneidung von Frauen und vor allem Waffenhandel.

Bis ins hohe Alter bereist Kaiser Krisengebiete in aller Welt. Auf einer dieser Reisen stirbt er am 4. März 2000, in einem Waisenhaus in Indien. Kaiser wird 86 Jahre alt. "Terre des Hommes" ist heute eine der bekanntesten und anerkanntesten Hilfsorganisationen der Welt und in 28 Ländern aktiv.

Stand: 04.03.10