Stichtag

16. September 2010 - Vor 135 Jahren: Enno Littmann wird geboren

Zu seinem 15. Geburtstag wünscht sich Enno Littmann nichts sehnlicher als ein Buch, um arabisch im Selbstunterricht zu erlernen. Er bekommt es und arbeitet schließlich so leidenschaftlich an dem Projekt, dass ihm sein Vater zum nächsten Weihnachtsfest gleich zwanzig Grammatiken orientalischer Sprachen schenkt. Der Grundstock für einen märchenhaften Aufstieg im Feld der Orientalistik ist somit schon früh gelegt. Am Ende beherrscht Littmann rund 20 Sprachen.

Sammler im Orient

Geboren wird Littmann am 16. September 1875 als Sohn eines Druckereibesitzers in Oldenburg. Mit 23 Jahren promoviert er über das Verb in der äthiosemitischen Tigre-Sprache, die im Osten Afrikas gesprochen wird. 1899 heuern drei US-Wissenschaftler ihn als Dolmetscher und Inschriftenforscher für eine Reise nach Syrien an. Weitere Expeditionen folgen, darunter eine von Kaiser Wilhelm II. finanzierte Expedition nach Äthiopien, die das inzwischen unabhängige Land für die deutsche Wirtschaft öffnen soll.Littmann aber interessieren vor allem die Menschen: ihr Alltag, ihre Geschichte, ihre Geschichten. Alles sammelt er, alles nimmt er mit nach Hause: Steine, Inschriften, Wörter für lexikalische Studien - und Erlebnisse. Als er 1910, nach vier Jahren am Straßburger Lehrstuhl für orientalische Sprachen, an die Universität von Kairo wechselt, lässt er sich dort von Einheimischen mündlich überlieferte Märchen erzählen. Aber er besucht auch Vorträge von Bänkelsängern auf Volksfesten und streift stundenlang durch die Straßen, um die Ausrufe der Verkäufer zu notieren.

Geschichten aus dem Morgenland

1921 geht Littmann als Professor für Islamkunde und Semitistik nach Tübingen. In der Folge macht sich der Professor auf Anfrage des Insel Verlags an seine berühmte Übersetzung der "Geschichten aus Tausendundeiner Nacht". Eigentlich soll er nur eine bereits vorhandene Übersetzung aus dem Englischen übertragen. Das aber reicht Littmann nicht. Er besorgt sich eine arabische Vorlage, zieht verschiedene Fassungen und Überlieferungsstufen zu Rate und schafft in sieben Jahren eine Übersetzung der 5.000 Seiten, die an Vollständigkeit und wissenschaftlicher Genauigkeit bis heute unerreicht ist. Enno Littmann stirbt 1958 in Tübingen.

Stand: 16.09.10