Stichtag

06. September 2010 - Vor 40 Jahren: PFLP kapert vier Passagierflugzeuge

Es ist der bis dahin größte Anschlag auf die zivile Luftfahrt: Innerhalb weniger Stunden bringen Kommandos der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) am 6. September 1970 vier Passagierflugzeuge in ihre Gewalt. Mit dabei ist auch die junge Kämpferin Leila Khaled. Sie hat bereits im Jahr zuvor eine US-Maschine entführt. Ihr Foto ging damals um die Welt: Palästinenser-Tuch um den Hals, Kalaschnikow im Arm. Diesmal sitzt die 24-Jährige mit ihrem Komplizen Patrick Arguella an Bord einer "Boeing 707" der israelischen Fluggesellschaft "El Al", die um zwölf Uhr mit insgesamt 154 Menschen von Amsterdam in Richtung New York startet. Als die Maschine ihre Reiseflughöhe erreicht hat, stürmen die Kidnapper mit Handranaten und Pistole in Richtung Cockpit. Aber auch das Bordpersonal ist bewaffnet. Es kommt zu einem Handgemenge, Schüsse fallen. Der Flugkapitän reagiert mit einem kontrollierten Sturzflug. Das reißt die Entführer von den Beinen. Eine entsicherte Handgranate kullert durch die Kabine, detoniert aber nicht. Nach wenigen Minuten liegt Arguella tot am Boden, Leila Khaled gefesselt daneben. Sie wird nach der Landung in London der britischen Polizei übergeben.

Ziel: PFLP-Kämpfer freipressen

Während Leila Khaleds Aktion scheitert, gelingt es den anderen PFLP-Kommandos, in Frankfurt am Main und in Amsterdam zwei amerikanische Passagiermaschinen sowie in Zürich ein Schweizer Flugzeug zu entführen. Sie haben genügend Geiseln, um Khaled und andere PFLP-Kämpfer frei zu pressen, die in der Schweiz und Deutschland festgehalten werden. Die Volksfront ist drei Jahre zuvor entstanden - als Reaktion auf die Niederlage der Araber im Sechs-Tage-Krieg vom Juni 1967. Damals wollen Palästinenser wie der Arzt und PFLP-Gründer Georges Habash nicht mehr auf die großspurig verkündete Unterstützung arabischer Nationen setzen, das Gebiet wieder zu erlangen, aus dem sie 1948 nach der Staatsgründung Israels vertrieben worden waren. Auch Leila Khaled gehört zu den rund 70.000 Palästinenser, die damals fliehen mussten.

Geiseln in Hotelkeller untergebracht

Eine der gekaperten US-Maschinen endet am 7. September 1970 in Ägyptens Hauptstadt Kairo als glühendes Gerippe. Die Kidnapper hatten dort alle Geiseln aussteigen lassen und danach Sprengsätze gezündet. Die beiden anderen Flugzeuge sind auf ein Flugfeld in die jordanische Wüste dirigiert worden, nicht weit von der Hauptstadt Amman. Am 9. September 1970 landet dort ein fünftes entführtes Flugzeug: ein britischer Airliner. Damit hat die PFLP, eine Splittergruppe der PLO, fast 400 Menschen in ihrer Gewalt. In Washington, London, Bonn und Bern tagen Krisenstäbe, während die Geiseln bei 40 Grad in den Maschinen sitzen. Die Verhandlungen mit den Entführern laufen noch, als es rund um Amman zu Kämpfen kommt: Der sogenannte Schwarze September hat begonnen, ein Aufstand der Palästinenser in Jordanien, die König Hussein stürzen wollen. Die Guerillas verlängern ihr Ultimatum, verminen die gekaperten Flugzeuge und lassen die meisten Geiseln frei. Dutzende Passagiere verschleppen sie jedoch nach Amman in ein Luxushotel, wo sie sich im Keller vor den Kämpfen in Sicherheit bringen müssen. Der Aufstand wird blutig niedergeschlagen.Nach gut drei Wochen endet die Entführungsaktion glimpflich: Die letzten Geiseln kommen im Austausch gegen Leila Khaled und ihre Mitkämpfer frei. Die drei Flugzeuge werden in der jordanischen Wüste gesprengt. Ende der 1970er Jahre erklärt die PFLP, mit Flugzeugentführungen aufzuhören. Bis heute lehnt die Organisation aber einen Kompromiss mit Israel ab. "Ich habe meine Haltung nicht geändert, was unsere Ziele angeht", sagt Leila Khaled, die heute zur PLFP-Führung gehört.

Stand: 06.09.10