Stichtag

04. November 2010 - Vor 120 Jahren: Todestag von Helene "Lenchen" Demuth

Karl Marx kämpft gegen Lohnsklaverei und Ausbeutung, doch privat überwindet er die Klassengegensätze nicht: Seine eigene Haushälterin Helene Demuth erhält nur selten einen angemessenen Lohn. Zusammen mit Friedrich Engels schreibt Marx zwar in der "Deutschen Ideologie": "Die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und die Entstehung des Kapitalismus beginnt in der Familie und mit der Unterdrückung der Frau." Als Helene Demuth aber von ihm schwanger wird, gibt er das Kind in eine Pflegefamilie. Auch später verschwendet Marx keinen Gedanken an die Ausbildung seines Sohnes. Doch scheint ihn Helene Demuth für dieses Verhalten nie zu verachten: Sie versorgt die Eheleute Marx bis zu deren Tod. Nach allem, was Zeitzeugen berichten, lächelt sie stets, ist glücklich und hilfsbereit.

Kaum Geld für die Haushälterin

Helene Demuth wird vermutlich am 1. Januar 1821 im Saarland geboren, bereits als junge Frau tritt "Lenchen", wie sie von allen genannt wird, ihren Dienst beim Baron Ludwig von Westphalen in Trier an. Die Tochter des Hauses, Jenny von Westphalen, heiratet 1843 den Intellektuellen Karl Marx. Bald flüchtet das Paar nach Paris. Jenny und Karl Marx hausen dort mit ihrem ersten Kind in einer engen Wohnung. Jenny hat nie gelernt einen Haushalt zu führen. Da schreibt ihre Mutter: "Ich schicke Dir das treue liebe Lenchen, als das Beste, was ich dir schicken kann." Fortan arbeitet Helene Demuth bei Jenny und Karl Marx, erst in Paris, dann in Brüssel und London. Die sparsame, fleißige Haushälterin erzieht die Kinder, putzt, kocht, näht Reste zusammen, organisiert die Finanzen, während Jenny Marx die Manuskripte ihres Mannes abschreibt und redigiert. Wenn die Familie in London am Sonntag über die Heide von Hampstead zieht, schleppt Helene Demuth als Letzte im Tross den Proviantkorb. Oft bleibt sie ohne Lohn, denn die Haushaltskasse ist meist leer. Sie bleibt selbst als Marx ihr zwischenzeitlich kündigt, weil überhaupt kein Geld mehr da ist.

Karl Marx' Seitensprung

Im Juni 1851 bringt die Haushälterin Sohn Henry Frederick zur Welt. Die Ehe von Jenny und Karl Marx befindet sich in dieser Zeit in einer Krise: Fehlgeburten, tödliche Erkrankungen einiger ihrer Kinder und finanzielle Not zermürben vor allem Jenny. Nur drei Töchter von sieben Kindern überleben. Im Londoner Taufregister wird der Vater von Demuths Kind als "unbekannt" angegeben, es wird sofort in eine Pflegefamilie gegeben. Um den Ehefrieden im Hause Marx nicht zu gefährden, erkennt Friedrich Engels als enger Freund von Karl Marx die Vaterschaft an. Frederick weiß, wer seine Mutter ist und besucht sie regelmäßig – aber nur in der Küche. Eine Freundin der Familie, Louise Freybeger, schreibt: "Freddy sieht Marx lächerlich ähnlich." Doch Marx Seitensprung wird weder im Familienkreis noch in der Öffentlichkeit bekannt. Erst in den 1960er Jahren sieht die Karl-Marx-Forschung nach der Auswertung von kopierten Briefen, seine Vaterschaft als bestätigt an.

Ein Grab für Familie Marx und Helene Demuth

Helene Demuth geht ihren Pflichten nach - bis zum Tod von Jenny Marx 1881 und Karl Marx 1883. Als 63-Jährige wird sie Haushälterin bei Friedrich Engels. Am 4. November 1890 stirbt Helene Demuth. Friedrich Engels würdigt sie in seinem Trauerbrief: "Lenchen und ich waren die zwei Letzten der alten Garde von vor 1848. Wenn während langer Jahre Marx und ich Ruhe zum Arbeiten fanden, so war das wesentlich ihr Werk. Ihren wunderbar taktvollen Rat in Parteisachen werde ich schmerzlich entbehren." Wie von Karl und Jenny Marx verfügt, wird Helene Demuth neben ihnen in der Familiengruft auf dem Londoner Highgate-Friedhof beigesetzt. Vermutlich wusste ihr Sohn, der 1929 in London stirbt, nie wer sein Vater ist.

Stand: 04.11.10