Stichtag

29. Dezember 2004 - Vor 70 Jahren: Der Hays-Code wirft verschärft

Unsittlich, verrohend, staatsgefährdend - was ist erlaubt, was gehört verboten? Fast so alt wie der Film ist die Filmzensur. Schon in der Frühzeit des Kinos erkennen Regisseure und Filmproduzenten, dass sie mit Sex und Gewalt ein großes Publikum erreichen können. Filme mit Schauspielerinnen wie Mae West oder Jean Harlow, die sich freizügig präsentieren, werden zu Kassenmagneten. Das beschert Hollywood im konservativen Amerika den Ruf als Sündenpfuhl. Als von einem Filmzensurgesetz die Rede ist, gründen die Filmschaffenden 1922 eilig die "Motion Picture Producers and Distributors of America" (MPPDA), den Verband der amerikanischen Produzenten und Verleiher. Er soll für die Selbstkontrolle sorgen. Vorsitzender wird der puritanische Republikaner Will H. Hays.Nach langer Vorbereitung veröffentlicht das Büro von Hays im März 1930 den so genannten "Production Code". Die Liste legt in zwölf Artikeln genau fest, was in Filmen erlaubt sein soll. Darüber hinaus sollen die Schauspieler schriftlich einen einwandfreien Lebenswandel garantieren. Alle in der MPPDA zusammengeschlossenen Filmfirmen unterschreiben diesen Hays-Code - und versuchen anschließend, ihn möglichst zu umgehen. Doch das funktioniert nicht lange -  drei Jahre später wird die katholische "Legency of Decency", die "Legion des Anstands", gegründet. Ihre Waffen: protestieren, stürmen, boykottieren. Die christliche Legion erreicht 1934 eine Verschärfung: Wer jetzt gegen den Hays-Code verstößt, muss 25.000 Dollar zahlen und darf seinen Film nicht aufführen.

Die Anständigen haben ihren Sieg errungen - Hollywood wird endlich prüde: Bei "Vom Winde verweht" verbieten die Zensoren das Wort "Verdammt!". Bei "Anna Karenina" streichen sie die Rolle des unehelichen Kindes aus dem Drehbuch. Bei "Casablanca" wird exakt die Länge jedes Kusses gemessen. Das zeitliche Kuss-Limit beträgt höchstens drei Sekunden. Wer sich auf dem Bett küsst, muss mit einem Fuß stets Bodenkontakt haben. Verboten sind Selbstmorde, uneheliche Beziehungen, sympathische Gangster oder Pfarrer in der Rolle des Schurken. 1936 bedankt sich Papst Pius XI. in seiner "Enzyklika über die Lichtspiele" ausdrücklich bei der "Legion des Anstandes" für ihren Einsatz und hebt den "beachtenswerten Erfolg" ihres "Kreuzzuges" hervor. Der Hays-Code hat über 30 Jahre Bestand. Er wird erst 1967 abgeschafft und durch ein freiwilliges Bewertungssystem ersetzt.

Stand: 29.12.04