Stichtag

31. Juli 2010 - Vor 40 Jahren: Wahlalter auf 18 Jahre herabgesetzt

"Diese Regierung sucht das Gespräch, sie sucht die kritische Partnerschaft mit allen, die Verantwortung tragen. Wir wollen mehr Demokratie wagen." Das erklärt Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) 1969 in einer legendären Regierungserklärung: Er schlägt vor, das aktive Wahlalter von 21 auf 18 Jahre zu senken, das passive von 25 Jahren auf 21. Das heißt, 18-Jährige könnten in Zukunft wählen und 21-Jährige zum Abgeordneten gewählt werden. Die Bundesregierung will junge Menschen stärker in die Politik integrieren – und erhofft sich Stimmen für die eigene Partei. Die SPD vermutet, dass sich unter den Jungwählern besonders viele SPD-Sympathisanten befinden.

Mehrere Bundesländer lassen ab 18 Jahren wählen

Die Opposition wehrt sich deswegen zunächst, doch schwenkt bald um. Die FDP-Politiker Hans-Dietrich Genscher sagt: "Uns geht es darum, den jungen Menschen die Chance der Mitwirkung zu eröffnen." Ein Argument lautet: Wer mit 18 Jahren reif für die Bundeswehr ist, der soll auch reif sein für das aktive Wahlrecht in einer Demokratie. Auf Länderebene ist das Wahlrecht ab 18 Jahren in einigen Bundesländern längst üblich. Am 31. Juli 1970 passiert die notwendige Grundgesetzänderung den Bundestag nahezu einstimmig: 441 Ja-Stimmen bei 10 Enthaltungen. Der Sitzungspräsident des Bundestags verkündet am Ende: "Wahlberechtigt ist, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat. Wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt."

Zusätzlich zwei Millionen Erst-Wähler

1972 wird zum ersten Mal nach dem neuen Recht gewählt: Zusätzlich zwei Millionen Erst-Wähler sind auf einen Schlag wahlberechtigt. Alle Parteien umwerben die jungen Wähler. Mit Erfolg: Die Wahlbeteiligung liegt 1972 bei 90 Prozent, rund 84 Prozent der unter 21-Jährigen gehen zur Wahl. Die SPD gewinnt zwar Stimmen, aber nicht so viele, wie sie sich erhofft hat. Bei der Bundestagswahl 2009 liegt die Wahlbeteiligung bei 70 Prozent. Die Wahlbeteiligung von jungen Wählern liegt im Schnitt rund fünf Prozent niedriger, als bei den anderen Altersgruppen. Inzwischen wird darüber diskutiert, das Wahlalter erneut zu senken: auf 16 Jahre. Befürworter wollen so die zunehmende Politikverdrossenheit bekämpfen und erklären, die Jugendlichen seien heute viel reifer als noch vor 40 Jahren. Auch hier sind die Bundesländer Vorreiter: In Bremen dürfen bereits 16-Jährige bei der Landtagswahl ihre Stimme abgeben. Auf europäischer Ebene ist Österreich das erste Land, in dem Jugendliche ab 16 Jahren wählen dürfen.

Stand: 31.07.10