Stichtag

06. März 2009 - Vor 295 Jahren: Französisch wird Diplomatensprache

Mitte des 17. Jahrhunderts ist Frankreich das Vorbild des deutschen Adels. Versailles gilt als Inbegriff der höfischen Welt. Seit 1654 regiert dort Ludwig XIV., der den absolutistischen Herrscher verkörpert. Der junge König hat Staat und Verwaltung komplett auf sich ausgerichtet und beeindruckt ganz Europa mit seinem Prunk und seiner Eleganz. In zahlreichen Kriegen baut der Sonnenkönig sein Land zur Supermacht auf. 1701 zieht er ganz Europa in einen zwölf Jahre dauernden Kampf um die spanische Erbfolge. Nach dem Tod des kinderlosen, spanischen Königs Karl II. wird in Spanien, Oberitalien, dem Deutschen Reich und im heutigen Belgien gekämpft. Frankreich erhält zwar schließlich die spanische Krone, muss aber Territorien abgeben. Der Krieg endet am 6. März 1714 mit dem Friedensvertrag von Rastatt. Zum ersten Mal wird ein solcher Vertrag in französischer Sprache verfasst.

Der Frieden von Rastatt gilt seither als Zeitpunkt, an dem sich Französisch als Sprache der internationalen Diplomatie etabliert. Das sei grundsätzlich richtig, sagt Historiker Guido Braun von der Universität Bonn: "Andererseits schloss der Kaiser noch im selben Jahr in Baden einen weiteren Frieden mit Frankreich, der wiederum in lateinischer Sprache abgefasst wurde." Latein ist im 17. und 18. Jahrhundert keineswegs tot, sondern Umgangssprache unter den Diplomaten. Sie sprechen nicht nur bei Verhandlungen, sondern auch im Alltag miteinander lateinisch. Laut Braun hat Ludwig XIV. seine Unterhändler beim Frieden von Rastatt angewiesen, den Vertrag im damals üblichen Latein abzuschließen. Doch den verhandelnden Militärs sei das Französische einfach geläufiger gewesen.

Französisch löst Lateinisch allmählich als Verhandlungssprache der Diplomaten ab. Zur Freude von Friedrich II., der bekennt: "Seit meiner Jugend habe ich kein deutsches Buch gelesen, und ich spreche die deutsche Sprache schlecht." Er behalte die deutsche Sprache seinen Pferden und Stallknechten vor, so Friedrich der Große. Der französische Philosoph Voltaire berichtet nach Paris: "Die Sprache, die am Berliner Hof am wenigsten gesprochen wird, ist die deutsche. Ich habe noch nie ein Wort Deutsch gehört. Unsere Sprache und unsere Literatur haben mehr Eroberungen gemacht als Karl der Große." Die Dominanz Frankreichs hält sich bis ins späte 19. Jahrhundert. Mit der Industrialisierung ziehen dann Großbritannien und die USA das Interesse auf sich. Mit ihren wirtschaftlichen und militärischen Erfolgen verbreitet sich auch ihre Sprache. Im Friedensvertrag von Versailles 1919 taucht Englisch erstmals neben Französisch auf. Die über 100 Jahre dauernde Vorherrschaft der französischen Sprache beginnt zu bröckeln.

Stand: 06.03.09