Stichtag

26. September 2009 - Vor 160 Jahren: Iwan Petrowitsch Pawlow wird geboren

Ende des 19. Jahrhunderts beschäftigt sich der russische Physiologe Iwan Petrowitsch Pawlow mit der Frage, wie der Körper die Verdauung reguliert. Er macht Versuche mit lebenden Hunden, an deren Verdauungsorganen er operativ künstliche Ausgänge anbringt - unter anderem eine Messapperatur für den Speichelfluss am Maul. Bei seinen Versuchen fällt ihm auf, dass die Tiere bereits Speichel absondern, wenn sie das Futter sehen, das der Laborassistent für sie bereitstellt. Pawlow lässt daraufhin jedes Mal bei der Fütterung eine Glocke ertönen. Schon nach wenigen Tagen verbinden die Hunde das Signal mit der Fütterung. Sie sondern nun auch Speichel ab, wenn lediglich die Glocke ertönt, aber keine Futter in Sicht ist. Pawlow erkennt: Man kann Reflexe an Reize koppeln, die zunächst miteinander nichts zu tun haben. Pawlow spricht von bedingten Reflexen, die erlernt - und auch wieder vergessen - werden können. Diese Art von Lernen nennt er Klassische Konditionierung. Davon unterscheidet er die unbedingten Reflexe, die angeboren sind und nicht beeinflusst werden können - wie etwa der Lidschluss-Reflex, der das Auge bei Gefahr schützt.

Geboren wird Pawlow - nach dem damals in Russland noch gebräuchlichen julianischen Kalender - am 14. September 1849 als Sohn eines Priesters in Rjasan bei Petersburg. Das entspricht nach der heute geltenden gregorianischen Zeitrechnung dem 26. September. Pawlow studiert Naturwissenschaften und Medizin in St. Petersburg. Er promoviert, wird Leiter eines medizinischen Labors und verfasst 1883 seine Habilitationsschrift über die "zentrifugalen Nerven des Herzens". 1890 wird Pawlow Professor an der Militärmedizinischen Akademie in St. Petersburg. 14 Jahre später erhält er für seine Arbeiten zur Physiologie der Verdauung den Medizin-Nobelpreis. Nach der Oktoberrevolution von 1917 beginnt sich Lenin für seine Arbeiten zu interessieren. 1924 bezieht Pawlow mit seinen Mitarbeitern ein großzügig ausgestattetes staatliches Forschungsinstitut.

Pawlow und seine Lehre werden in der Sowjetunion unter Stalins Führung hoch geschätzt. Durch das Konditionieren, also das Antrainieren von bedingten Reflexen, hofft man, den neuen, sozialistischen Menschen heranbilden zu können. Pawlow sieht den gesellschaftlichen Wandel als "historisch soziales Experiment", dessen Abschluss er gerne miterleben möchte. Doch er stirbt am 27. Februar 1936 in St. Petersburg, damals Leningrad, an einer Lungenentzündung.Die Ergebnisse von Pawlow beeinflussen die Wissenschaft weiter. Reiz und Reflex gehen als Grundbegriffe in die Psychologie ein. Gleichzeitig werden sie zur Grundlage einer neuen Lerntheorie, die die Umwelteinflüsse in den Vordergrund stellt. Auch die Werbung bedient sich bei Pawlow. Trotz Kritik am Bild des automatisierten und dressierbaren Menschen sind seine Forschungen immer noch aktuell: Nach neuen Erkenntnissen funktioniere Pawlowsches Lernen auch beim Immunsystem, sagt Psychologe Alfons Hamm von der Universität Greifswald: "Man kann nun Geschmacksreize oder Geruchsreize benutzen, um bestimmte Immunantworten zu stimulieren."

Stand: 26.09.09