Stichtag

11. Mai 2009 - Vor 105 Jahren: Salvador Dalí wird geboren

In der Schule von Salvador Dalí hängt eine Reproduktion von Jean-François Millets "Das Abendläuten" (1858). Zu sehen ist ein Bauernpaar, das auf einem Acker betet. Aber Dalí sieht mehr. Für ihn senken Bauer und Bäuerin den Kopf am Grab ihres verstorbenen Sohns. Anfang der sechziger Jahre wird Dalí im Louvre ein Röntgenfoto vom "Abendläuten" machen lassen, das seinen Verdacht zu bestätigen scheint: Hinter den obersten Pigmentschichten kommt eine Kiste zum Vorschein, die Millet ganz offensichtlich übermalt hat. Wie Dalís eigene Eltern, so hat auch das Bauernpaar einen Sohn verloren.

In seinen Bildern wird Dalí selbst das Abgründige, Dunkle, Verborgene der menschlichen Seele in Bildern sichtbar machen: Bildern, denen die bizarre Felsenlandschaft seiner katalanischen Heimat als Kulisse dient. Geboren wird er am 11. Mai 1904 als Sohn eines angesehenen Notars in Figueres nahe der Costa Brava. Sein persönliches Trauma aber fußt auf einem Ereignis genau neun Monate vor seiner Geburt. Da nämlich stirbt das erste, ebenfalls Salvador genannte Kind der Dalís im Alter von knapp zwei Jahren. Zeitlebens wird sich Dalí immer nur als Ersatz des Erstgeborenen fühlen: Der tote Bruder wird zum bedrohlichen Doppelgänger, der mit dem Maler ununterscheidbar verschmilzt. Als solcher taucht er auf einem von Dalís Hauptwerken auf, dem Großgemälde "La gare de Perpignan" von 1965. Hier ist auch Millets Bauernpaar zu sehen, das Dalí in Hunderten seiner Bilder erscheinen lässt.Als Dalí 16 Jahre alt ist, stirbt die geliebte Mutter. Um sein Unglück zu kompensieren, beginnt er zu malen. 1922 schickt ihn sein Vater auf die Kunstakademie in Madrid. Hier ist Dalí der Außenseiter; Freunde gewinnt er allein durch seine bewunderte Malerei. Hierzu gehören der Dichter Federico García Lorca und der Filmemacher Luis Buñuel. Mit ihnen dreht Dalí die Filme "Der andalusische Hund" (1929) und "Das goldene Zeitalter" (1930), die heute als Meisterwerke des Surrealismus gelten. Im Kreis der Surrealisten begegnet er auch der zehn Jahre älteren Gala, die er dem Dichter Paul Éluard  ausspannt. Von nun an wird Gala Mutterersatz, Managerin und Muse für ihn sein. Sie nennt ihn ihren kleinen Jungen - und nimmt sein Leben fortan in die Hand.

In der Folge findet Dalí zu seinem unverwechselbaren Stil. Die fließenden weichen Uhren entstehen, die brennenden Giraffen und Schubladenkörper, in denen die Figuren scheinbar das Unterbewusste offenbaren wollen. Nach Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs 1936 fliehen die Dalís, reisen durch Europa, später in die USA. Dort arbeitet Salvador Dalí für Alfred Hitchcock und Walt Disney und findet auch in der Öffentlichkeit mit Zwirbelschnurrbart, langen Gewändern und Stöcken mit Goldknauf zu seinem bizarren, überdrehten, bis zum Irrsinn übersteigerten Stil.1948 kehrt Dalí nach Spanien zurück. 1982, nach 52 gemeinsamen Jahren, stirbt Gala. Ihr Tod macht aus Dalí einen Mann mit glasigem, bleichem Gesicht. Er selbst stirbt 1989 in seiner Heimatstadt Figueres.

Stand: 11.05.09