Stichtag

24. Oktober 2009 - Vor 80 Jahren: Schwarzer Donnerstag an der New Yorker Börse

Die Woche an der New Yorker Wall Street beginnt mit deutlichen Warnzeichen. Nach einem nie da gewesenen Aufwärtstrend in den vergangenen Monaten zeigt der Börsenindex Dow-Jones am Montag, den 21. Oktober 1929, erstmals wieder deutlich nach unten. Dienstag und Mittwoch geraten die Kurse an der weltweit bedeutendsten Börse auf breiter Front ins Rutschen; der Kaufrausch findet ein abruptes Ende. Am Donnerstag, den 24. Oktober, berichtet dann der Radio-Reporter William Smith live aus der Wallstreet: "Die Aktienkurse befinden sich im freien Fall. Der Dow Jones geht in den Keller. Drinnen im Parkett spielen sich Szenen wie in einem Western-Saloon ab. Aktienhändler schreien, rempeln und prügeln sich sogar. Jeder will so schnell wie möglich verkaufen, um wenigstens noch ein paar Pennies für Standard Oil oder General-Electric-Papiere zu bekommen." Bei Börsenschluss notiert der Dow Jones beinahe 20 Prozent unter dem Eröffnungswert. Es ist der Tag, der in den USA als Black Thursday  (Schwarzer Donnerstag) und am folgenden Tag in Europa als Schwarzer Freitag in die Geschichte eingeht.

Das Vertrauen der Amerikaner in eine prosperierende Zukunft ist Ende der 20er Jahre unerschütterlich. Während der "Roaring Twenties" wähnt sich das Land am Beginn eines ewigen Aufschwungs. Mehr als 100 Millionen euphorisierte US-Bürger investieren ihre Ersparnisse in Aktien. Banken und Großinvestoren finanzieren ihre Aktienkäufe zunehmend auf Kredit, um sie mit den Spekulationsgewinnen zu bezahlen. Die schier endlose Nachfrage lässt die Kurse explodieren. Allein von Juli bis September 1929 klettert der Dow-Jones-Index um mehr als 30 Prozent. Experten wie der Bostoner Ökonom Roger Babson warnen vor dem Platzen der auf Pump basierenden Spekulationsblase: "Früher oder später wird der Crash kommen und er kann schrecklich werden." Doch die Mahnrufe verhallen ungehört oder gehen im Spott der Banker und Börsianer unter. Erst am Schwarzen Donnerstag sehen sich die Mächtigen der Wall Street zum Handeln gezwungen. Unter dem Eindruck der kaum noch zu kontrollierenden Panik auf dem Börsenparkett kaufen die fünf größten Banken demonstrativ Aktien auf, um Ruhe und Zuversicht zu verbreiten, aber es ist zu spät. Vier Tage nach dem desaströsen Black Thursday meldet die New York Times am 29. Oktober: "14 000 000 000 Dollar Verlust!".

In der schlimmsten Wirtschaftskrise der Geschichte suchen die Vereinigten Staaten ihr Heil in der völligen Abschottung ihrer Märkte und bezahlen ihren grenzenlosen Optimismus mit den folgenden düsteren Jahren der Großen Depression. In Europa gerät nach dem Schwarzen Freitag vor allem die Wirtschaft der Weimarer Republik, die noch unter den immensen Reparationszahlungen an die Siegermächte des Weltkriegs ächzt, unter Druck. Die klammen US-Banken ziehen ihr Kapital aus Deutschland ab und bringen damit die Reichsregierung von Kanzler Heinrich Brüning in eine prekäre Lage. Der daraufhin dem Reich von Brüning verordnete strikte Sparkurs lässt die Arbeitslosenzahl von zwei Millionen vor 1929 auf sechs Millionen Menschen im Jahr 1933 emporschnellen und läutet damit das Ende der Weimarer Republik ein. In den USA kann der im November 1932 zum Präsidenten gewählte Franklin D. Roosevelt mit seinem "New Deal " - einem Paket von Armutsbekämpfungsmaßnahmen, Sozialreformen und staatlichen Investitionen - die bleierne Zeit der Depression beenden. In Deutschland macht das tief verunsicherte deutsche Volk 1933 indes den Weg für Adolf Hitler frei zur Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur.

Stand: 24.10.09