Stichtag

11. Februar 2009 - Vor 80 Jahren: Staublunge wird als Berufskrankheit anerkannt

Zunächst können die Patienten noch weite Strecken zu Fuß gehen, dann fällt ihnen jede Treppenstufe schwer: Atemnot, Husten, Auswurf. Bei einer sogenannten Staublunge oder Silikose, der alten Bergmannskrankheit, werden langsam die Lungenbläschen zerstört. Das Lungengewebe ist durch Staub so stark geschädigt, dass es vom Körper mit normalem Bindegewebe ersetzt wird. Bindegewebe kann aber den Sauerstoff aus der Atemluft nicht in den Körper übernehmen. Da die Veränderung des Lungengewebes nicht rückgängig gemacht werden kann, ist eine Silikose unheilbar. Ihre Beschwerden können nur gelindert werden. Bei schweren Formen der Krankheit erstickt der Betroffene, bei leichten Formen kann die Gewebeveränderung zum Stillstand kommen.

Das unheimliche Leiden ist seit dem Altertum bekannt. Paracelsus berichtet im 16. Jahrhundert von der "Bergsucht und anderen Bergkrankheiten". Zu dieser Zeit können Staublungen an Lebenden nicht sicher diagnostiziert werden. Erst mit den 1895 entdeckten Röntgenstrahlen wird es möglich, die Erkrankung zu erkennen. Bei der Behandlung sind seit jeher allerlei Hausmittelchen eingesetzt worden. Hermann Neuhaus, der in der Bergmannskolonie in Essen-Katernberg aufgewachsen ist, erinnert sich an Bergleute, die ihr Stück Brot mit Speck gegessen haben, weil sie an den Spruch geglaubt haben: "Die Lunge eines Bergmannes muss in Fett schwimmen." Genutzt hat es nichts, genauso wenig wie Kräuterextrakte oder Schwämmchen, die sich die Bergleute vor Nase und Mund gebunden haben. Nicht der grobe Dreck ist das Problem, sondern der feine, unsichtbare Staub, der sich in den Lungen ablagert.

Lange Zeit gehören Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten zum Berufsrisiko. Niemand wird entschädigt, keiner erhält Unterstützung. Arbeitsschutz bleibt bis zum Ende des 19. Jahrhunderts unbekannt. Erst 1925 werden einige beruflich bedingte Krankheiten in der ersten Verordnung über gewerbliche Berufskrankheiten anerkannt. Die "schwere Staublungenerkrankung" wird am 11. Februar 1929 ebenfalls darin aufgenommen. Sofort melden über 14.000 Menschen ihre Beschwerden an. Entschädigt werden davon nur 1.200 Fälle. "Die Beschränkung der schweren Staublunge auf solche Formen, die im Röntgenbild flächenhafte Schatten zeigen, [...] führt natürlich zu einer für die Berufsgenossenschaften ungemein günstigen, für den Arbeiter ungemein ungünstigen Auslegung der Verordnung", kritisiert damals ein Gewerbearzt. Bis heute gibt es immer wieder Streit um die Anerkennung von Berufskrankheiten. Mittlerweile betreut die Bergbau-Berufsgenossenschaft noch rund 13.000 Silikose-Fälle.

Stand: 11.02.09