Stichtag

15. Mai 2009 - Vor 35 Jahren: Walter Scheel zum Bundespräsidenten gewählt

Er durchläuft alle Stufen einer bundesdeutschen Polit-Karriere: Zuerst tritt Walter Scheel 1946 in die Freie Demokratische Partei (FDP) ein, wird Stadtrat in seiner Heimatstadt Solingen, sitzt im Düsseldorfer Landtag, im Bundestag und im Europaparlament. In den 60er Jahren ist er Minister für Entwicklungshilfe in den Kabinetten von Konrad Adenauer ( CDU) und Ludwig Erhard (CDU). Als die Liberalen in der Opposition sind, übernimmt Scheel 1968 den Parteivorsitz. Dann wird er unter Willy Brandt ( SPD ) Bundesaußenminister, Vizekanzler und einer der Wegbereiter der Entspannungspolitik. 1973 tritt er als singender Stargast in der Unterhaltungssendung "Drei mal neun" von Wim Thoelke im ZDF auf: Seine Darbietung von "Hoch auf dem gelben Wagen" wird ein Hit.

Schließlich wird Scheel Kandidat für das höchste Amt im Staat: 1.036 Wahlmänner drängen sich am 15. Mai 1974 in der Bonner Beethoven-Halle zusammen. "Ich eröffne die sechste Bundesversammlung zur Wahl des vierten Bundespräsidenten", sagt Bundestagspräsidentin Annemarie Renger (SPD). "Die SPD- und die FDP-Fraktion schlagen Herrn Bundesminister Walter Scheel vor. Die CDU-CSU-Fraktion schlägt Herrn Bundestagsabgeordneten Dr. Richard von Weizsäcker vor." Angesichts der Mehrheitsverhältnisse gilt die Wahl Scheels als sicher. Denn Scheel ist zu diesem Zeitpunkt nicht nur Außenminister, sondern auch der amtierende Bundeskanzler. Kurz zuvor war Brandt nach der Enttarnung seines engen Mitarbeiters, Günter Guillaume, als DDR-Spion zurückgetreten und sein Nachfolger, Helmut Schmidt (SPD), noch nicht im Amt.

Scheel wird im ersten Wahlgang gewählt. Er erreicht 530 Stimmen, 32 mehr als sein Konkurrent. Scheel gibt sich gerührt: "Es ist für mich sehr bewegend, dass ich wenige Tage vor der 25. Wiederkehr des Tages der Gründung der Bundesrepublik Deutschland gewählt werde, an deren demokratischer Entwicklung ich vom ersten Tage an als Parlamentarier Anteil genommen habe." Anders als sein Vorgänger Gustav Heinemann (SPD), der politische Zeichen setzte, betont Scheel Repräsentation und Würde des Amtes. 1976 verweigert er er allerdings die Unterzeichnung des Gesetzes zur Abschaffung der Gewissensprüfung bei Wehrdienstverweigerern. Als der Termin für die Wiederwahl des Bundespräsidenten näher rückt, streiten die Parteien monatelang über die Neubesetzung des Amtes - zumal sich Scheel lange bedeckt hält. Erst einen Tag nach der Nominierung von Karl Carstens (CDU) durch die Union, die sich auf eine Mehrheit in der Bundesversammlung stützen kann, verzichtet Scheel ausdrücklich auf eine erneute Kandidatur. Seine Amtszeit endet am 30. Juni 1979. Auf Carstens folgt 1984 von Weizsäcker - Scheels Konkurrent bei der Bundespräsidentenwahl 1974.

Stand: 15.05.09