Stichtag

10. Juli 2004 - Vor 20 Jahren: Die DGB-Studie "Die neue Armut" wird vorgestellt

"Nur noch etwa ein Drittel aller registrierten Arbeitslosen erhalten Arbeitslosengeld. Arbeitslose gehören damit zu den am meisten von Armut bedrohten Gesellschaftsgruppen." Zu diesem Ergebnis kommt eine wissenschaftliche Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung. Nein, es geht nicht um die Auswirkungen der Agenda 2010 oder um die Folgen von Hartz IV, der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Die 171 Seiten starke Studie mit dem Titel "Die neue Armut - Ausgrenzung von Arbeitslosen aus der Arbeitslosenunterstützung" ist schon viel älter. Sie wird am 10. Juli 1984 vom stellvertretenden Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Gerd Muhr, vorgestellt. Im Vorwort heißt es: "Armut hat es in der BRD, einem der reichsten Länder der Welt, immer gegeben. Die Armut der Obdachlosen, der Behinderten, der Ausländer und Sozialhilfe-Empfänger. Aber durch die seit zehn Jahren anhaltende Massenarbeitslosigkeit und die dramatischen Kürzungen bei der Arbeitslosenunterstützung ist eine neue Form der Armut hinzu gekommen. Die Armut der Arbeitslosen."

1984 sind bei der Bundesanstalt für Arbeit 2,1 Millionen Arbeitslose registriert. Davon müssen 1,6 Millionen Menschen ohne Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe auskommen; sie leben von Sozialhilfe. Der DGB macht die Bundesregierung unter Helmut Kohl (CDU) für die Lage verantwortlich. "Die neue Armut unter Arbeitslosen ist eine kalkulierte Folge des Sozialabbaus der Bundesregierung", sagt DGB-Vize Muhr. Stück für Stück, mit mehreren Gesetzesänderungen, seien die Leistungen für Arbeitlose abgebaut worden.
Die vor zwei Jahrzehnten beschriebene "Neue Armut" ist längst nicht mehr neu. Sie hat deutlich zugenommen. Beispiel Bochum: In der Ruhrgebietsstadt mit 390.000 Einwohnern leben heute mindestens 9.000 Menschen von Sozialhilfe und über 11.000 von Arbeitslosenhilfe. Sie sind also schon längere Zeit arbeitslos. Die Nationale Armutskonferenz, ein Zusammenschluss von Verbänden, Selbsthilfeorganisationen und des DGB, beklagt, dass derzeit in Deutschland acht Millionen Menschen unter der Armutsgrenze leben, darunter drei Millionen Kinder.

Stand: 10.07.04