Stichtag

15. Oktober 2009 - Vor 480 Jahren: Türken beenden erste Belagerung Wiens

100.000 Krieger, 22.000 Kamele, mehrere Tausend Pferde und 300 Geschütze - mit dieser Streitmacht nimmt der osmanische Sultan Süleyman I. im Herbst 1529 Kurs auf Wien, den Stammsitz der Habsburger Monarchie. Im September tauchen die ersten türkischen Verbände an der Donau auf und verwüsten die Wiener Vorstädte. Einige Tausend Flüchtlinge werden niedergemacht - darunter vor allem Frauen und Kinder. In wenigen Tagen riegelt Süleymans Armee die Stadt vollkommen ab. Innerhalb von drei Tagen will er Wien einnehmen lassen. Die Siegesgewissheit des osmanischen Herrschers kommt nicht von ungefähr. Er hat einen erfolgreichen Feldzug vom Bosporus quer über den Balkan hinter sich. 1521 hat er das christliche Bollwerk Belgrad erobert, fünf Jahre später das Königreich Ungarn unterworfen.

Die Nachricht vom Vormarsch der als besonders grausam verschrienen Muslime löst unter den Christen Europas Panik aus. In sogenannten Türkenliedern machen sie Stimmung gegen die "Erbfeinde des christlichen Namens": "Der Türk greift wieder an (...) verfolgt die Christenheite mit Gfängnis, Mord und Brand". Der religiöse Aspekt spielt bei den Eroberungszügen der Osmanen allerdings kaum eine Rolle: Süleyman ging es nicht um die Zwangsislamisierung der Besiegten, sagt Hedda Reindl-Kiel vom Lehrstuhl für osmanische Geschichte an der Universität Bonn: "Es ging darum, seinen Besitz zu vergrößern." Um diesen abzusichern, habe er sich immer größere Gebiete zugelegt, die auch Steuern einbrachten. Ursprünglich haben die Osmanen wohl gar nicht vorgehabt, nach Wien zu ziehen: Als sich ihnen kein Heer in den Weg gestellt habe, hätten sie ohne Schwierigkeit nach Wien vorrücken können, so Reinl-Kiel.

Die zahlenmäßig unterlegenen Wiener erweisen sich jedoch als hartnäckig. 20.000 Bewaffnete organisieren die Verteidigung der Stadt, die mit rund 70 Festungskanonen ausgerüstet ist. Salve um Salve feuern die Türken gegen die Stadtmauer - ohne Erfolg. Süleyman, der den Stephansdom zur Moschee machen will, hat seine Schlagkraft überschätzt. Als es zu schneien beginnt und der osmanische Nachschub auf morastigen Straßen stecken bleibt, ist selbst die Moral der 20.000 Janitscharen, der osmanischen Eliteeinheiten, am Boden: Sie weigern sich weiter anzugreifen. In der Nacht zum 15. Oktober 1529 gibt Süleyman schließlich entnervt den Befehl zum Rückzug.Doch die angebliche Niederlage der Türken vor Wien ist keine. Der Habsburger Erzherzog Ferdinand, Bruder von Kaiser Karl V., muss große Teile Ungarns verloren geben, sagt Historikerin Reindl-Kiel. 1683 gelangen die Osmanen unter Sultan Mehmed erneut vor die Tore Wiens und belagern die Stadt. Dieses Mal werden sie aber von einem deutsch-polnischen Heer vernichtend geschlagen. Die sogenannten Türkenkriege und die antiislamische Propaganda im 16. und 17. Jahrhundert wirken lange nach: In vielen Anekdoten lebt der eroberungswütige, Krummsäbel Osmane weiter. Unter diesem Klischee hat die Türkei als Rechtsnachfolger des Osmanischen Reichs noch heute zu leiden.

Stand: 15.10.09