Stichtag

27. März 2009 - Vor 100 Jahren: Historiker Golo Mann wird geboren

Kinder bedeutender Eltern stehen oft zeitlebens in einem langen Schatten. Dieses Schicksal bleibt auch Golo Mann nicht erspart, nach Erika und Klaus das dritte Kind von Thomas und Katia Mann. Als einzigem von insgesamt sechs Geschwistern gelingt es gerade ihm, der "alles sonderbar ungeschickt oder grotesk macht" (Katia Mann), sich neben Vater Thomas und dem Onkel Heinrich Mann dauerhafte literarische Bedeutung zu erarbeiten. Als schriftstellernder Historiker, meisterhafter Erzähler von Geschichte und als Philosoph. Den ausgefallenen Vornamen hat sich der am 27. März 1909 in München geborene Angelus Gottfried Thomas Mann selbst gegeben. Weil er als Kleinkind seinen Namen nicht aussprechen kann, wird aus Angelus zunächst Gololo und schließlich Golo.

Als Jugendlicher ist Golo Mann ein Sonderling und Spätentwickler. Im Internat Schloss Salem entdeckt er seine Homosexualität. Seine politische Heimat findet er in der späten Weimarer Republik bei einer sozialistischen Studentengruppe. Schon damals leidet Mann immer wieder unter schweren Depressionen, die er bis an sein Lebensende mit Tabletten und Alkohol bekämpfen wird. Golo Mann absolviert ein Geschichts- und Philosophie-Studium, promoviert bei Karl Jaspers in Heidelberg und emigriert 1933, wie seine Eltern, nach Frankreich. In jenen Jahren als Lektor und Autor einer Exil-Zeitschrift erkennt auch Thomas Mann die Qualitäten seines Sohnes, der ihm mehr und mehr zu einer großen Stütze wird. 1940 gelingt Golo Mann zusammen mit seinem Onkel Heinrich die waghalsige Flucht über die Pyrenäen nach Spanien, von wo aus er seinen Eltern in die Emigration in die USA folgt.

Kurz vor Ende des Weltkriegs wird Golo Mann der deutschen Öffentlichkeit bekannt - mit ermutigenden und vorausschauenden Reden im US-Sender "American Broadcasting Station". Elf Jahre nach Kriegsende, in denen er unter anderem als Geschichtsprofessor in Kalifornien tätig ist, kehrt Golo Mann in seine Heimat zurück. Als inzwischen konservativer, aber in modernen europäischen Maßstäben denkender Historiker verfasst er 1958 sein erstes großes Werk, die "Deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts". Dank seines herausragenden Stils und der ungewöhnlichen Kunst, Geschichte so aufregend wie tiefgründig zu erzählen, werden seine Bücher zu Bestsellern mit Millionenauflage. Golo Mann zählt zur prominenten intellektuellen Elite des Landes, seine Stimme hat Gewicht. Bei seinen häufigen Fernsehauftritten benennt er die Lebenslügen der jungen Republik und plädiert schon Anfang der 60er Jahre für eine Entspannungspolitik gegenüber der DDR. Als Vordenker der Ostpolitik arbeitet er später auch als Ghostwriter für Willy Brandt.1971 krönt Golo Mann sein Lebenswerk mit einem Buch, das zum Klassiker wird: der großen Biografie des Feldherrn Albrecht von Wallenstein. Auch die Verfilmung sechs Jahre später als ZDF-Vierteiler mit Rolf Boysen in der Titelrolle wird ein immenser Publikumserfolg. Nach einigen politischen Seitenwechseln in den 80er Jahren stirbt Golo Mann am 7. April 1994 mit 85 Jahren in Leverkusen. Beigesetzt wird er auf eigenen Wunsch im schweizerischen Kilchberg am Zürichsee, nahe dem Grab seiner Eltern.

Stand: 27.03.09