Stichtag

15. August 2009 - Vor 735 Jahren: Tod des Pariser Domherrn Robert von Sorbon

Wer im mittelalterlichen Paris nach den Ursprüngen der Sorbonne forscht, wird an seltsamer Adresse fündig. Die Geschichte der weltberühmten Universität beginnt im Quartier Latin, in der Halsabschneidergasse ("La Coupe Gueule"), dort wo Dirnen, Diebe und sonstiges Gesindel hausen. Ausgerechnet da kauft um das Jahr 1255 Robert von Sorbon, Domherr von Paris und Vertrauter des Königs, ein Haus. Das Kapital stammt von Ludwig IX. persönlich, den Robert für seine Idee gewonnen hat, ein weltliches Kolleg für mittellose Theologiestudenten zu gründen. Ein Dach über dem Kopf, Verpflegung, eine geistig stimulierende Gemeinschaft, die gemeinsam wohnt, studiert und forscht. Als Robert von Sorbon am 15. August 1274 stirbt, hat er den Grundstein zu einer der großen Universitäten des Abendlandes gelegt. Bald nach seinem Tod geben die Studenten ihrer Alma Mater den Namen Sorbonne.

Viel wissen die Historiker nicht über diesen Robert aus dem Ardennenort Sorbon. 1201 als Sohn einfacher Bauern geboren, schafft er es 1250, nach Studien in Reims und Paris, zum Magister der Theologie zu promovieren. Im flandrischen Cambrai erwirbt er die Würde eines Kanonikus. Nach der Rückkehr des Königs, der am Kreuzzug von 1248 ins Heilige Land teilgenommen hat, steigt Robert von Sorbon zum Hofkaplan, Beichtvater und Vertrauten von Ludwig IX. auf. Mit dessen großzügiger Unterstützung kauft er im Lauf der Jahre weitere Häuser in der Coupe Gueule und errichtet in ihnen Kollegien für Geisteswissenschaften und Philosophie. Vorlesungen finden in Schuppen und Scheunen statt. Im Jahr 1268 gibt Papst Clemens IV. dem neuen Kolleg seinen Segen und erkennt Robert ausdrücklich als "Provisor" der Kollegien an.

Bis zum 16. Jahrhundert halten sich die führenden Gelehrten der Sorbonne aus allen politischen Konflikten heraus, was ihrer Universität den Ruf der höchsten moralischen Autorität in Frankreich einträgt. Doch unter dem Einfluss der Reformation wandelt sich die Hochschule zum Hort der Konservativen, der starren Gegner des aufkommenden Humanismus. 1622 übernimmt Kardinal Richelieu die Leitung des Kollegs. Der einflussreiche Staatsmann fördert den Ausbau, zementiert aber zugleich den reaktionären, dem Absolutismus verpflichteten Grundtenor der Lehrmeinung. Mit Ausbruch der Französischen Revolution rächt sich die Jahrhunderte lange kategorische Verweigerung gegenüber Renaissance, Humanismus und Aufklärung. 1792 wird die Sorbonne von revolutionären Künstlern geschlossen und deren Räume in Ateliers umgewandelt.

Seit ihrer Wiedereröffnung 1808 durch Kaiser Napoleon I. steht der von Robert von Sorbon gegründeten Universität eine mächtige Konkurrenz gegenüber. Tonangebend und Karriere weisend sind nun elitäre Institute wie die Ecole Normale Supérieur und das Collège de France. Zum Symbol für Protest, Progressivität und politisierte Studenten wird die Sorbonne erst während der 68er-Revolte. Aus Furcht vor der Revoluzzer-Brutstätte leitet die französische Regierung eine Hochschulreform ein und zerschlägt die Sorbonne in das bis heute gültige Pariser Universitätssystem von 14 Einzel-Instituten.

Stand: 15.08.09