Stichtag

31. Dezember 2009 - Vor 10 Jahren: Computer überstehen Jahrtausendwende

Tim May macht sich auf das Schlimmste gefasst. "Sich selbst auf den Januar 2000 vorzubereiten" ist nach Ansicht des pensionierten Computer-Experten aus dem US-Bundesstaat Kalifornien jetzt erste Bürgerpflicht. Für 90 Tage Lebensmittel hat er gebunkert, einen Stromgenerator und ein Kurzwellenradio gekauft sowie einen Wassertank installiert, der rund 1.600 Liter Wasser fasst. Denn "wenn die Stromversorgung nur für zwei oder drei Tage ausfällt", davon ist May überzeugt, "wird es zu einer Kettenreakion kommen", die die Zivilisation lahm legen könnte.

Tim May ist nur einer von zahllosen Experten, die vor der großen Katastrophe beim Übergang von 1999 ins Jahr 2000 warnen. Energieversorgung, Wasser, Strom und Verkehrslenkung sehen sie in Gefahr, Flugzeugabstürze und Supergaus in Atomkraftwerken werden prophezeit. Die Mitarbeiterzeitschrift eines großen Unternehmens warnt vor dem Ausfall von 5.000 Herzschrittmachern. Ein anderer Fachmann sieht ganz Russland in den Zustand der Steinzeit zurückversetzt. Das Ende der Welt, wie wir sie kennen, scheint nahe. Diesmal aber wird nicht ein zur Jahrhundert- oder Jahrtausendwende zurückkehrender Gott für die drohende Apokalypse verantwortlich gemacht, sondern eine Ungenauigkeit in der Programmierung von Computern.

Um Speicherplatz zu sparen, haben die Programmierer der ersten Stunde nämlich bei ihrer Datenrechnung auf die ersten beiden Stellen der Jahreszahl verzichtet. Zur Jahrtausendwende springen Millionen Rechnerhirne deshalb nicht von 1999 auf 2000 um, sondern von "99" auf "00": auf eine Unzahl also, mit der Computer eigentlich nicht rechnen können. Um den "Millenium-Bug", den Fehler des Jahrtausends zu verhindern, werden in Tausenden von Firmen vorsorglich die Computer untersucht und gegebenenfalls händisch umprogrammiert. British Airways beschäftigt über 200 Mitarbeiter allein zu dem Zweck, den denkbar größten digitalen Zwischenfall zu verhindern. Allein für die Administration der US-Regierung veranschlagt das Weiße Haus in Washington 6,5 Milliarden US-Dollar. Um die gesamte amerikanische Wirtschaft für das "Jahr-2000-Problem" zu rüsten, braucht es laut Berechnungen knapp das Zehnfache. Dann kommt die Jahrtausendwende, während derer die Systemadministratoren mit dem Sektglas in der einen und dem Notfallhandy in der anderen Hand auf Anrufe warten. Die Korken knallen, die Katastrophe bleibt aber aus. In den USA kommt es zu Telekommunikationsstörungen, in England stehen zeitweise 20.000 Geldautomaten still. Eine Videothek in Albany berechnet einem Kunden eine Gebühr für die Überziehung der Leihzeit um 100 Jahre. Ansonsten bleibt alles, bis auf die Feuerwerke am Himmel, verhältnismäßig ruhig.

Stand: 31.12.09