Stichtag

10. Oktober 2009 - Vor 85 Jahren: Die Westdeutsche Funkstunde geht auf Sendung

"Achtung, Achtung! Hier ist die Sendestelle Münster in Westfalen auf Welle 407!" Mit dieser Ankündigung nimmt die "Westdeutsche Funkstunde AG" (WEFAG) am 10. Oktober 1924 ihren Betrieb auf. Sie ist die jüngste von neun bereits in Deutschland bestehenden Rundfunkanstalten, die alle privatwirtschaftlich organisiert sind. Hauptaktionär der WEFAG ist die Stadt Münster, die mehr als die Hälfte des Aktienkapitals von 60.000 Goldmark einbringt. Neben zwei Kaufleuten und einem Bankier gehört auch die Reichspost zu den Aktionären. Dass Münster überhaupt einen Sender bekommen hat, liegt an der politischen Situation: Das Rheinland und das Ruhrgebiet sind nach dem Ersten Weltkrieg zum größten Teil von alliierten Truppen besetzt. Aus Furcht vor Spionage haben diese nicht nur den Betrieb von Funkanlagen, sondern sogar das Halten von Brieftauben verboten. Münster ist unbesetzt und wird deshalb zur Wiege des Westdeutschen Rundfunks.

Als Funkhaus dient ein ehemaliges Generatorenhaus der Stadt Münster. Hier wird Hörfunkgeschichte geschrieben: Der Sportjournalist Bernhard Ernst berichtet am 1. November 1925 über das Fußballspiel Arminia Bielefeld gegen Preußen Münster - vermutlich die erste Liveübertragung im deutschen Rundfunk. Beim Start der WEFAG in Münster kostet ein Röhrenradio um die 400 Reichsmark. Das Vorläufer-Modell, ein einfaches Detektorgerät mit Kopfhörern, bekommt man schon für 70 Reichsmark. Hinzu kommen die Rundfunkgebühren von zwei Mark. Zum Vergleich: Ein gelernter Arbeiter erhält einen Stundenlohn von 88 Pfennig. Sehr gefragt ist deshalb eine Gaststätte am Hauptbahnhof, in der man für 20 Pfennig Eintritt Radio hören kann. Dennoch steigt die Zahl der Hörer bald rasant an: Zu Beginn des Programms gibt es rund 6.000 Empfangsgeräte, im Dezember 1924 sind es bereits 14.000.

Als Anfang 1926 die alliierten Truppen aus den besetzten Gebieten abziehen, beschließt die WEFAG, ihren Sitz nach Köln zu verlegen. Zunächst ist auch Düsseldorf im Gespräch, aber Kölns Oberbürgermeister Konrad Adenauer interveniert und entscheidet das Rennen für seine Stadt. Ein Jahr später startet in Köln die "Westdeutsche Rundfunk AG" (WERAG). Am 28. Februar 1927 wird zum ersten Mal der Kölner Rosenmontagszug übertragen. Münster darf aber noch eigene Programmteile liefern. Kurz vor der so genannten Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wird der Sender Münster schließlich ganz stillgelegt. Zum Hauptsender wird - mit drastisch erhöhter Sendeleistung - die Station Langenberg. Der Sprecher in Münster verabschiedet sich von seinen Hörern mit den Worten: "Und vergessen Sie nicht, Ihre Antenne zu erden."

Stand: 10.10.09